Der private Platz an der Sonne

Sonnenenergie kann 60 Prozent des Warmwasserbedarfs in einem Einzelhaushalt abdecken / Solarzellen zur Stromerzeugung sind Luxus  ■ Von Volker Wartmann

Seit einem Jahr hat der Bedarf an Beratungen für den Einbau von Solaranlagen zur Warmwasserbereitung mächtig zugenommen. Herbert Schmitz, Mitarbeiter der Bürgerberatungsstelle Energie der Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung (GRE), erklärt, woran das liegt: „Inzwischen hat sich herumgesprochen, daß die Förderung in Berlin so hoch ist.“ Die 60prozentige Subventionierung durch die Investitionsbank Berlin (IBB) miteinberechnet, amortisiere sich eine solche Anlage auch wirtschaftlich innerhalb von zehn bis 20 Jahren. „Der Gesamtpreis einer solarthermischen Anlage für einen Vierpersonenhaushalt beträgt rund 15.000 bis 20.000 Mark. Diese Anlagen sind inzwischen technisch ausgereift. Sie haben einen Systemwirkungsgrad von etwa 60 Prozent.“ Durch den Einbau einer solarthermischen Anlage könne, auf das Jahr gerechnet, ungefähr bis zu 60 Prozent des Warmwasserbedarfs durch die Nutzung der Sonnenenergie abgedeckt werden, erläutert der Versorgungstechniker.

Die Nutzung der Sonnenenergie scheint auf den ersten Blick jedoch nur bestimmten Personengruppen vorbehalten zu sein. „Bei Fragen zu Solarenergie sind es zum Großteil Besitzer von Einfamilienhäusern, die zu uns in die Beratungsstelle kommen.“ Besuche ökologisch denkender Besitzer und Vermieter größerer Wohnhäuser seien eher selten. „Vermietern ist es egal, welche Energieträger ihre Mieter benutzen. Die Kosten für die Energieversorgung tragen ja eh die Mieter“, mutmaßt Matthias Meichsner, Mitarbeiter bei Energie BISS, Gesellschaft für Solaranlagenbau Berlin. Die individuelle Nutzung der Solarthermie durch einzelne Mietparteien sei einerseits ein technisches, vor allen Dingen aber auch ein rechtliches Problem hinsichtlich notwendiger Sondergenehmigungen und der Zustimmung des Vermieters. Außerdem wohnen viele Mieter ja gar nicht auf der sprichwörtlichen Sonnenseite und wissen oftmals nicht, wie lange sie in ihrer jetzigen Wohnung wohnen bleiben.

Trotz dieser vielen ungünstigen Voraussetzungen läßt sich nicht jeder Mieter davon abschrecken, die Vorteile solarthermischer Energiegewinnung zu nutzen. So hat sich beispielsweise Dirk Junghans, wohnhaft in einem Altbau im Prenzlauer Berg, mit nur 1.200 Mark Kostenaufwand und einfachsten Mitteln eine komplette funktionsfähige Solaranlage in Eigenarbeit installiert. Sie erwärmt das Wasser seiner Wohnung im dritten Stock eines Hinterhofes. „Von Ende April bis September kann damit nahezu mein gesamter Warmwasserbedarf abgedeckt werden.“ Die selbstgebauten Kollektoren mit ungefähr 1,5 Quadratmetern Gesamtoberfläche hängen an den Blumenkastenbefestigungen vor dem Küchenfenster, die als Speicher dienende, mit Mineralwolle isolierte, 100-Liter-Plastiktonne ist in der Dusche knapp unter der Decke montiert. Die Anlage funktioniert nach dem Schwerkraftprinzip, das in südlichen Ländern schon lange zur Warmwasserbereitung genutzt wird. Der Speicher ist etwa zwei Meter höher als die Kollektoren angebracht. Trotzdem ist für den Wassertransport keine zusätzliche Pumpe notwendig. Bedingt durch den Dichteunterschied zwischen dem unterschiedlich warmen Wasser im Speicher und den Kollektoren zirkuliert das Wasser ständig in diesem System und heizt sich mit zunehmender Dauer, Sonnenschein vorausgesetzt, immer weiter auf. Nach einer Entnahme beispielsweise zu Duschzwecken läuft kaltes Wasser nach und wird dann nach dem gleichen Prinzip wieder aufgeheizt. „Mit der Anlage können an sonnigen Tagen bis zu 90 Liter auf über 40 Grad erwärmt werden“, erläutert Junghans. „Ich habe es ja vorher auch kaum geglaubt, aber meine selbstgebaute Anlage ist nach meinen Berechnungen ungefähr so effizient wie eine in Serie hergestellte.“

Günther Kusidlo, Mitarbeiter der gemeinnützigen Gesellschaft Atlantis, hält solarthermische Anlagen zur Wassererwärmung auch in solch kleinen Dimensionen für sinnvoll: „Die Anlagen sollten allerdings auf die Bedürfnisse des Haushaltes zugeschnitten sein.“ Doch auch wenn sich die Anlagen schon in Mietwohnungen rechnen würden, hätten Eigenheimbesitzer noch größere Vorteile: „Dank der Fördermittel kann der Wert des Hauses zum Nulltarif um 30.000 Mark erhöht werden.“ Atlantis stellt nicht nur Kleinstanlagen für den Hausgebrauch her, sondern bietet auch kostenlose Beratungsgespräche für Interessierte an.

Eine zweite Möglichkeit, die Sonnenenergie zu nutzen, ist die sogenannte Photovoltaik: Stromerzeugung aus Sonnenlicht. Die Nutzung der Photovoltaik in der Stadt durch Einzelpersonen hält der Energie-BISS-Mitarbeiter Meichsner für technische Spielerei. „Ein paar photovoltaische Solarzellen auf der Fensterbank oder dem Balkon sind mehr oder weniger reine Luxusartikel.“ Der Systemwirkungsgrad (käuflicher) photovoltaischer Anlagen beträgt bisher nur zwischen zehn bis zwölf Prozent. In Laborversuchen wurden jedoch schon 30 Prozent erreicht. Der Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung in Berlin liegt bei weit unter einem Prozent. Zwar fördert die IBB solche Anlagen sogar mit 70 Prozent und selbst die Bewag steuert noch einen kleinen Zuschuß bei, aber solange die Bewag für die Netzeinspeisung nicht einmal 18 Pfennige für eine Kilowattstunde eingespeisten Solarstrom zahle, räumt Meichsner dieser Technik keine bedeutenden Wachstumschancen ein. Für Privatpersonen liegen die photovoltaischen Anwendungsmöglichkeiten vor allen Dingen im Freizeitbereich. So können beispielsweise Ferienwohnungen und Lauben mit Hilfe dieser Technik autark mit Strom versorgt werden. Des weiteren hält Meichsner die Stromversorgung von Wohnmobilen sowie den Betrieb kleinerer Motorboote und Segelboote mit photovoltaischen Anlagen für sinnvoll.

„Wenn über Energieeinsparung geredet wird, denken die meisten erstmal an die Nutzung der Sonnen- und Windenergie. Doch wer sich nur eine Solaranlage auf das Dach baut, ist deswegen noch lange kein überzeugender Öko“, so Carsten Ernst, Mitarbeiter beim Ingenieurbüro für ökologische Haustechnik Syrius. „Es gibt viele einfachere Maßnahmen, mit denen man erstmal mehr Energieeinsparungen erreichen kann als durch den Einbau einer Solaranlage“, erklärt der Maschinenbauingenieur die derzeitige Sachlage. Jeweils etwas weniger als zehn Prozent der genutzten Endenergie werden in einem durchschnittlichen Privathaushalt für die Warmwasserbereitung und die Stromversorgung verbraucht. Mehr als ein weiteres Viertel geht für das liebste Kind, das Auto, drauf. Über die Hälfte des gesamten Endenergiebedarfs jedoch wird für die Wohnungsheizung benötigt. „Allein durch Dämmaßnahmen von Dach, Keller, Wänden und Fenstern ist eine Senkung des Heizenergiebedarfs, also des größten Postens, auf ein Viertel möglich“, erläutert Ernst. Ebenso lägen in der Effizienzerhöhung des Wärmeerzeugers bedeutende Energiesparmöglichkeiten. Diese könnten beispielsweise durch den Einbau einer Gasbrennwerttherme sehr gut genutzt werden. „So sinnvoll der Einbau einer Solarkollektoranlage zur 60prozentigen Deckung des Warmwasserbedarfs auch ist, muß man sich vergegenwärtigen, daß das Einsparpotential bei Austausch eines alten Kühlschranks und einer alten Waschmaschine gegen neue sparsame Geräte ungefähr genauso groß ist wie beim Einbau einer solarthermischen Anlage, sowohl was den Verbrauch von Primärenergie als auch den Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxyd betrifft.“

Atlantis bietet kostenlose Beratungen für die Verwendungsmöglichkeiten alternativer Energien an: Telefon 61 79 20 45