Emotionen im Gericht

■ Langatmige Berufungsverhandlung von drei Polizisten, die wegen der Mißhandlung eines Iraners verurteilt wurden

Im Gerichtssaal ist es angenehm kühl. Trotzdem sind die Gemüter in dieser Berufungsverhandlung vor dem Landgericht in Moabit erhitzt. Denn die Strafkammer verhandelt über ein delikates Thema: Körperverletzung im Amt durch Polizisten. Immer wieder muß der Vorsitzende Richter die Anwälte der drei Polizisten ermahnen, sachlich zu bleiben. Ermahnende Worte auch in Richtung Zuschauerbänke, wo Prozeßbeobachter der Internationalen Liga für Menschenrechte und der Polizei und fast ein Dutzend Polizisten sitzen.

Die drei Beamten im Alter zwischen 23 und 39 Jahren sind letztes Jahr vom Amtsgericht zu Geldstrafen zwischen 10.500 und 12.600 Mark verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß sie Weihnachten 1992 den Iraner Habib J. mißhandelt und beleidigt haben. Strafverschärfend wertete das Gericht, daß sie durch ihr Verhalten das Vertrauen in die Polizei in besonderem Maße verletzt haben. Im Ermittlungsverfahren dagegen schenkte das Gericht der Aussage einer unbeteiligten Zeugin keinen Glauben, die gesehen hatte, wie der Fahrer des Busses, in dem Habib J. eingeschlafen war, den Kopf des Iraners kräftig gegen die Scheibe schlug und wie er von Polizisten „wie ein Stück Vieh“ abtransportiert wurde. Der Busfahrer wurde Ende letzten Jahres freigesprochen. Die Polizisten bestreiten nach wie vor jegliche Schuld.

Habib J., der im Iran gefoltert wurde, fühlt sich noch heute durch die Geschehnisse in seiner Würde verletzt. „Ich mache das für all die, die denken, Ungerechtigkeit sei normal“, sagte der 35jährige, der als Nebenkläger auftritt, zur taz. Noch heute habe er Kopfschmerzen, wenn er an den Vorfall denke. Nachdem der Busfahrer ihn „gnadenlos“ geschlagen habe, wurde er anschließend von Polizisten auf die Wache gebracht. Zu keiner Zeit sei er darüber belehrt worden, worum es gehe. Auch auf seine Frage, warum sie nicht den Busfahrer mitgenommen hätten, habe er keine Antwort erhalten, sondern „nur Beleidigungen“: Ein Polizist habe seinen Finger an seine Schläfe gehalten und „Beng“ gerufen, ein anderer habe ihn geohrfeigt, beim „Herausschubsen“ aus der Wache sei ihm der ausgestreckte Mittelfinger gezeigt worden.

Die Zeugin Hannelore B., eine 48jährige Frau, die sich Weihnachten 1992 mit ihrem Auto verfahren hatte und an der Busendhaltestelle nach dem Weg fragen wollte, sagte gestern, daß ihr der Mut gefehlt habe, sich einzumischen. Nachdem die Polizisten mit dem Iraner weggefahren waren, habe sie das Portemonnaie von Habib J. gefunden und sich mit ihm in Verbindung gesetzt. Weil sie nicht mit der Fundsache zur Polizei gegangen war, mußte sie sich von dem Vorsitzenden Richter, der seinen Ruf nach Sachlichkeit bisweilen vergaß, über die Rolle der Polizei als „Schutzschirm für die Bürger“ belehren lassen. Mit einem Urteil in dem Fall, den das ZDF, die Ausländerbeauftragte von Berlin und amnesty international aufgriffen, ist nächsten Freitag zu rechnen. Barbara Bollwahn