■ Der „Fall Heinz Eggert“ jenseits des Skandals
: Persönliche Kränkung

Vielleicht muß er gehen. Sofern die Vorwürfe stimmen, hat Sachsens Innenminister Heinz Eggert mindestens ein Mitglied seines Stabes, Oliver Lang, der der Wochenpost ein Interview gegeben hat, gedrängt, mit ihm die Nacht zu verbringen. Solche Avancen innerhalb eines Abhängigkeitsverhältnisses spielen schnell in den Bereich der Nötigung. Strafrechtlich relevant sind sie allerdings erst, wenn eine Drohung mit einem empfindlichen Übel oder Gewalt vorliegt. Oliver Lang weiß auch davon zu berichten: „Von einem Kollegen weiß ich, daß er (...) recht massive Drohungen des Ministers zu hören bekam. Von Auswirkungen auf das weitere Berufsleben sei die Rede gewesen, man käme nicht ungeschoren davon.“ Sollte sich dieser Vorwurf als wahr herausstellen – hier wäre die Grenze des Tolerierbaren erreicht.

Liest man das Interview mit Oliver Lang nicht nur unter dem Blickwinkel des Skandals, dann handelt es sich allerdings nicht um die Geschichte einer Bedrohung („Angst hatte ich nicht“), sondern, mehr als alles andere, um die Geschichte einer persönlichen Kränkung. Ein junger Mann, gelernter Drechsler, macht einen rasanten Aufstieg. Vom Mitarbeiter eines CDU- Abgeordneten im sächsischen Landtag fliegt er direkt auf den Sessel des persönlichen Referenten des Innenministers. Selbstverständlich ist er darauf stolz („Für mich war das schon ein besonderes Angebot“), und er meint, seine Karriere verdanke er seiner zufriedenstellenden Arbeit. Er bewundert Eggert („Für mich war das eine Persönlichkeit“) und sieht in ihm „fast (einen) väterlichen Freund“.

Den Angeboten Eggerts – so es sie gegeben hat – ist er nicht gewachsen. So wie er heute das Wort „schwul“ wie eine gefährliche Klippe umschifft und statt dessen von „Neigung“ und „Veranlagung“ spricht, so umging er während seiner Anstellung bei Eggert das Problem. Seine persönliche Verletzung („Was mich am meisten belastet hat, war der Gedanke, vielleicht nur wegen meines Äußeren auf diesen Posten gelangt zu sein“) konnte er nicht angehen, denn so etwas hatte er nicht erwartet, kannte er nicht, wollte er auch nicht kennen. Der 29jährige sagt heute, daß ihm nie zuvor von einem Mann sexuelle Avancen gemacht worden seien. So ist es ihm nie in den Sinn gekommen, die verbalen Übergriffe mit einem Lächeln souverän zurückzuweisen und seine Arbeit zu tun. Die persönliche Kränkung war zu groß. Und daher ist ihm auch die „Öffentlichkeitsarbeit“, die er jetzt macht, nicht zu verübeln. In seiner Selbstsicht ist er der aufrechte junge Mann, der sich auf einmal einem wilden Tier ausgeliefert fühlte, von dem er noch dazu abhängig war. Julia Albrecht