: Antisemitische Seelsorge in Danzig
■ Nach Kritik an Äußerungen Jankowskis will die polnische Kirche nun Konsequenzen ziehen / Ermahnung oder Amtsenthebung?
Warschau (taz) – Dawid Warszawski fehlten die Worte. Auch der Redaktion der größten Tageszeitung Polens, der Gazeta Wyborcza, fiel zu dem Priester Henryk Jankowski, dem ehemaligen Beichtvater Lech Walesas, nichts mehr ein. „Wie unterhält man sich mit einem ...“, titelte die Zeitung ratlos. Soll man ihn Faschist nennen? Nein, sagt der Redakteur, denn das, was dieser Pfarrer von sich gibt, ist einfach dumm. Andererseits: Waren die Faschisten denn klug? Soll man ihn als „Schläger“ bezeichnen? Nein, denn zu einem Progrom hat er nicht aufgerufen. Und „rassistischer Antisemit“ paßt zwar inhaltlich, ist aber zu lang. Also drei sprachlose Punkte.
Pfarrer Jankowski hatte am 11. Juni in einer Predigt in Danzig gefordert, daß die Regierungsmitglieder klar sagen sollten, ob „sie aus Moskau oder Israel“ kämen. „Polen, erwacht!“ rief er den Gläubigen zu, unter ihnen auch der polnische Präsident Lech Walesa. Wenig später erklärte Jankowski in einem Interview, daß der Davidstern als „Symbol der Unterdrückung nicht nur im Hakenkreuz, sondern auch in Hammer und Sichel enthalten“ sei.
Walesa äußerte sich erst nach massivem Druck aus dem Ausland. Er habe diesen Satz nicht gehört, da in der Kirche eine schlechte Akustik herrsche und er auch nicht auf antisemitische Äußerungen gefaßt gewesen sei. Er werde aber, solange er Präsident sei, keine antisemitischen Erscheinungen in Polen zulassen. Walesa, der zunächst seinen Freund hatte decken wollen, besann sich erst eines anderen, als sein Besuch bei Bill Clinton in Gefahr geriet.
Jankowski machte keinerlei Anstalten, sich auch nur im geringsten von seinen Äußerungen zu distanzieren. In mehreren Interviews betonte er, daß er kein Antisemit sei, „auch Juden zu seinen besten Freunden“ zähle, es aber wohl gestattet sein müsse, „die Wahrheit zu sagen“. Und die hört sich dann so an: „Die teuflische Habsucht der Juden, der Bankiers und Finanziers, ist schuld am Kommunismus. Dieselbe teuflische Habsucht wie auch andere Aktionen der Juden führten zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, dem größten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit.“ Ob er da nicht vielleicht etwas verwechsle, fragt der Reporter des Nachrichtenmagazins Wprost vorsichtig nach. Schließlich hätten sich die Opfer des Holocaust nicht selbst umgebracht. Nein, es seien diejenigen Juden schuld, die Geld gehabt hätten und noch mehr Geld verdienen wollten, so Jankowski.
Ein Liederbuch der Russischen Revolution dient ihm als Beweis für die These, daß der Davidstern im Symbol von Hammer und Sichel enthalten sei. Der fünfzackige Sowjetstern sei aus dem Davidstern hervorgegangen. Und Hitler sei nur mit Hilfe jüdischer Bankiers an die Macht gekommen. Daher sei der Davidstern auch im Hakenkreuz enthalten.
Für den Solidarnosc-Priester Jankowski sind diese Äußerungen nicht purer Antisemitismus oder rassistische Politik, sondern „Seelsorge“. In einem langen Artikel in der Wochenzeitung Polityka fragt der Schriftsteller und Politiker Andrzej Szczypiorski, ob Jankowski eigentlich klar sei, daß auch Maria, die christliche Muttergottes, eine Jüdin war und daß sie natürlich einem jüdischen Knaben das Leben schenkte. Die „saubere Visitenkarte“, die Jankowski für die polnischen Politiker fordert, könnte selbst die „heilige Familie“ nicht vorweisen.
Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Tadeusz Pieronek, hat nun die Konsequenzen gezogen und in den Donnerstagabend-Nachrichten Sanktionen angedroht. Der Erzbischof von Danzig, Tadeusz Goclowski, kann nach dem Kanonischen Recht eine bloße Ermahnung aussprechen oder Jankowski seines Amtes entheben. Das polnische Strafgesetzbuch sieht für Rassismus die Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis vor. Gabriele Lesser
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