Bauern für Verbrauchermacht

Bauerntag des Agrar Bündnisses in Körle / Zukunftsbündnis zwischen Stadt und Land schmieden/ Gerechtere Preise gefordert  ■ Aus Körle Klaus-Peter Klingelschmitt

Hobbykoch und Soziologe Detlev Ipsen von der Gesamthochschule in Kassel hatte Erfreuliches für den Kochtopf gesichtet. In Deutschland sei tatsächlich wieder „Land in Sicht“ – regionale Waren auf den neu eingerichteten, regionalen Bauernmärkten in den Metropolen. In Kassel etwa, so Ipsen beim Bauerntag des „Agrar Bündnisses“ im nordhessischen Körle, bekomme er heute auf dem wiedereröffneten Bauernmarkt sogar einen Fasan aus dem nahegelegenen Sörewald. Nur die Maishühner und Wachteln, die Ipsen gerne kauft, um sie nach den Regeln der grand cuisine zuzurichten, kämen noch immer aus Frankreich.

Regionalisierung war tatsächlich das Zauberwort auf dem Treffen oppositioneller Bäuerinnen und Bauern, von VerbraucherInnenverbänden und Umwelt- und TierschützerInnen. Und die VerbraucherInnen sollen als politische Akteure des nächsten Jahrtausends die besten Verbündeten sein, argumentierte die bündnisgrüne Agrarexpertin und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer in Körle. Arm in Arm mit den Bäuerinnen und Bauern, die im Umland der Städte gesunde, ökologisch korrekt Produkte herstellten, könnten die VerbaucherInnen gerade diesen LandwirtInnen die Zukunft sichern – und ihre eigene gleich mit.

Der Weg dahin sei aber noch weit, bremste Vollmer am Freitag abend bei der Diskussion über Stadt, Land und Landwirtschaft im nächsten Jahrtausend jede Euphorie. Doch beim Konflikt um die Brent Spar (Shell) hätten die VerbrauerInnen schon einmal eindrucksvoll die Muskeln spielen lassen – und ein Weltkonzern sei in die Knie gegangen.

„Neue Städter braucht das Land“, heißt es deshalb in der agrarpolitischen Erklärung, die 200 Bäuerinnen und Bauern und die Delegierten der Verbände am Sonntag verabschiedeten: „Durch eine Politik mit dem Einkaufskorb kann jede Verbraucherin und jeder Verbraucher die ökologische Umorientierung der Landwirtschaft praktisch unterstützen. So können wir nicht nur das Leiden der Tiere verhindern, sondern eine qualitätsorientierte Lebensmittelerzeugung zu fairen Preisen – sowohl für die Bauern als auch für die Verbraucher – bekommen.“

Der Wandel müßte für die Bäuerinnen und Bauern allerdings schneller kommen, als das Vollmer oder die auch nach Körte gekommene niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) glaubten. Denn das „Bauersterben“ gehe unvermindert weiter, so der Vorsitzende des Agrar Bündnisses, Gyso von Bonin aus Niedersachsen. Die EU-Agrarpolitik und die Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung sorgten dafür, daß den Bauern weiter die Garotte um den Hals liege. Sinkende Erzeugerpreise stünden steigenden Preisen für Maschinen gegenüber. Die Landwirtschaft, so Bonin verbittert, sei für die PolitikerInnen zur „Inflationsbremse für das Volk“ geworden.

In dieser Situation seien ökologischer Landbau und artgerechte Tierhaltung zwar hilfreich für das Einkommen von Bäuerinnen und Bauern, die die Umstellung gewagt hätten. Die VerbraucherInnen seien ja auch bereit, für ökologisch korrekt produzierte Ware mehr zu zahlen – „doch mehr ist noch immer nicht genug“. Daß Lebensmittel deshalb generell zu billig seien, befand auch Umweltministerin Monika Griefahn.

Ein Durchschnittsbürger gebe heute 13 Prozent seines Monatseinkommens für Lebensmittel aus, wußte ein Vertreter des Agrar Bündnisses zu berichten. Damit die Bäuerinnen und Bauern auf ihre Kosten kämen, müßten es eigentlich 25 Prozent sein. Um aber Preise bezahlen zu können, seien die BürgerInnen von anderen Kostenlasten befreit werden. Welche blieb in Körle offen.

Die besten Ideen, wußte Ökobauer Bonin zu berichten, kommen ohnehin nur beim Rübenhacken – und nicht (wie in Körle) beim Palavern und Biertrinken. Die Vorgabe seines Ausbilders auf der Landwirtschaftsschule ignoriert Bonin souverän. Der hatte immer gemeint: „Der höchste Baum in Niedersachsen ist die Steckrübe.“