„Ich nehme ein Vollbad im Fettnapf“

■ Ein CSU-Mitglied will für „saubere Verhältnisse“ in der eigenen Partei sorgen

München (taz) – Manchmal stellt die CSU Journalisten vor wahrhaft mühselige Aufgaben. So läßt sich mitunter nur schwer entscheiden, ob die Pressemitteilung eines Parteimitglieds echt ist oder von einem Witzbold gefälscht. Wenn eine Frau „Christl Pannier“ erklärt, sie habe eine „Initiative für saubere Verhältnisse in der CSU“ gegründet, dann ist der sorgfältige Journalist versucht, den Zettel als Fälschung in den Papierkorb zu schmeißen. Doch offenbar gelten die alten Regeln in der CSU nicht mehr. „Christl Pannier“ heißt wirklich Christl Pannier, und sie meint ihre Initiative ernst. Seit 1971 ist sie in der Partei; seit vorletzten Montag reicht es ihr. An jenem Abend wurde in ihrem CSU- Kreisverband ein neuer Vorstand gewählt. Dabei ging es auch um die Frage, warum der CSU-Ortsverband 1993 236.000 Mark Schulden angehäuft hatte. Ein auffälliger Kapitalbedarf, denn normale Ortsverbände der CSU kommen selbst in Wahlkampfzeiten mit Etats von einigen tausend Mark aus. Weil der 270-Mitglieder-Ortsverband seine Wahlkampfplakate weder vergolden noch in millionenfacher Ausfertigung drucken ließ, drängte sich die Frage auf, ob vielleicht ein Teil der Viertelmillion irgendwo versickert sein könnte.

Darüber, so sagt Christl Pannier, sei bei der Sitzung des Kreisverbandes heftig gestritten worden. Das Ergebnis: Der Vorsitzende des kapitalbedürftigen Ortsverbandes „17 b“, Curt Niklas, gab den teuren Wahlkämpfen eines Parteikollegen die Schuld und wurde von den meisten Anwesenden unterstützt. Noch besser erging es Max Strauß, der seit 1991 Schatzmeister in „17 b“ ist und in den letzten Monaten dafür gesorgt hat, daß die chaotische Buchführung des Ortsvereins wieder ins Lot kam: Strauß wurde mit großer Mehrheit zum Kreisvorsitzenden gewählt. Offensichtlich haben die beiden, so sieht es Christl Pannier, eine Schar von jungen Leuten in den Ortsverein „17 b“ geholt, um sich Mehrheiten zu sichern und ihre Kritiker zu entmachten. „Da waren etliche Bürscherl, noch grün hinter den Ohren, die über 236.000 Mark geredet haben als ginge es um die Portokasse“, sagt Christl Pannier.

Vor ein paar Jahren wäre ein solcher Streit im Stillen weitergegangen, und irgendwann hätte der Parteichef Franz Josef Strauß dann durchgegriffen. Zumal der betroffene Schatzmeister Max Strauß sein Sohn ist. Doch die alten Mechanismen zur Parteibefriedung funktionieren nicht mehr. Immer neue Details von immer neuen Skandalen dringen heute nach draußen. Und die Liste der Münchner CSU-Rücktritte ist rekordverdächtig lang geworden: Umweltminister Peter Gauweiler (Nebenverdienst bei einer Anwaltskanzlei, 10.000 Mark monatlich), Gerhard Bletschacher, Fraktionschef im Münchner Rathaus (Unterschlagung bei einem gemeinnützigen Verein, 4,8 Millionen), Otto Lerchenmüller, Ex- Stadtrat (Betrug zum Schaden der Stadt, 120.000 Mark). Der ehemalige Oberbürgermeister Erich Kiesl steht in einigen Monaten wegen Falschaussage vor Gericht, und am letzten Freitag erwischte es den CSU-Stadtrat: Franz Luksch. Gegen ihn ermittelt der Staatsanwalt wegen Betrug, weil er von über 100 Kunden seiner Sanitärfirma zu Unrecht Gebühren kassiert haben soll.

Luksch trat nach Bekanntwerden der Ermittlungen sofort zurück. Dabei geht es in seinem Fall – soweit bisher bekannt ist – um Beträge, die sich im CSU-Vergleich eher läppisch ausnehmen: Luksch soll seine Kunden insgesamt um weniger als 5.000 Mark geprellt haben. Doch der Mann hat die Stimmung in der Partei richtig eingeschätzt: „Ich will nicht, daß durch eine gezielte anonyme Veröffentlichung der CSU Schaden zugefügt wird“, sagte er. Männer mit solcher Parteimoral kann die CSU zur Zeit brauchen.

Skandalgebeutelt wird sich die Münchner CSU heute abend zum Parteitag im Pschorrkeller versammeln. Christl Pannier wird dann wohl ihren Antrag stellen, daß Niklas und Strauß zumindest vorerst ihre Ämter ruhen lassen – mit äußerst geringen Chancen, wie sie selbst weiß. In welche Situation sie der Antrag bringt, ist ihr ebenfalls klar: „Ich nehme zur Zeit ein Vollbad im Fettnapf.“ Felix Berth