Polizist, der Kurde erschoß, wird angeklagt

■ Tausende gedachten des Todes von Halim Dener / Schütze kommt vor Gericht

Hannover (taz) – Zum Jahrestag des Todes des 16jährigen Kurden Halim Dener haben am Samstag 5.000 Kurden und nur wenige Deutsche demonstriert. Der 16jährige war in der Nacht zum 1. Juli vergangenen Jahres von einem Polizeiobermeister, einem Beamten eines Sondereinsatzkommandos, erschossen worden. Die genauen Umstände, die zu dem tödlichen Schuß führten, sind bis heute nicht geklärt. Fest steht jetzt allerdings, daß es zu einer Gerichtsverhandlung wegen fahrlässiger Tötung gegen den SEK-Beamten kommen wird. Die Hannoversche Staatsanwaltschaft hatte den Polizisten zwar wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, dem Landgericht Hannover aber praktisch anheim gestellt, die Hauptverhandlung erst gar nicht zu eröffnen. Die Anklage, die von einem versehentlichen Schuß im Handgemenge ausging, überließ es ausdrücklich dem Gericht, zu entscheiden, ob dem Polizisten strafrechtlich ein Vorwurf zu machen sei, oder dieser „einfach nur überfordert war“. Auf diese zweideutige Anklageschrift reagierte das Landgericht mit eigenen Nachermittlungen, die vor allem die polizeilichen Richtlinien zum Schußwaffengebrauch und das umfangreiche Training von SEK-Beamten mit der Waffe betrafen. Die Gerichtsverhandlung, in der dann erstmals alle Zeugen öffentlich aussagen müssen, wird nun für den Oktober erwartet. Der Rechtsanwalt Rainer Ahues wies am Samstag in Hannover darauf hin, daß im Hauptverfahren jederzeit eine Erweiterung der Anklage möglich sei.

Der Anwalt, der die Eltern des jungen Kurden vertritt, geht weiterhin von einem gezielten Schuß auf den Flüchtenden aus.

Bei der Demonstration am Samstag durch die Innenstadt zeigten viele Kurden ihre PKK-Fahnen und PKK-Transparente. Die Polizei duldete dies, es gab es keinerlei Zwischenfälle. Jürgen Voges