Der Testfall für Bonn beginnt

■ Parteitage von SPD und Bündnisgrünen sagen ja zu Rot-Grün in NRW / Rau sieht Chancen für Bonn

Hagen/Kevelaer (taz) – Schließlich und endlich – der rot-grüne Pakt in NRW ist durch. Nachdem die Verhandlungsdelegationen sich am Freitag abend geeinigt hatten, machten große Mehrheiten auf den Parteitagen der Bündnisgrünen und der Sozialdemokraten den Weg für das neue Bündnis endgültig frei. Johannes Rau hatte schon am Freitag erklärt, als Ministerpräsident wieder zur Verfügung zu stehen. Am kommenden Donnerstag soll die Wahl im Düsseldorfer Landtag über die Bühne gehen. Knapp 90 Prozent der Grünen segneten den Pakt trotz heftiger Kritik an einzelnen Passagen des 198seitigen Koalitionspapiers am Samstag in Kevelaer ab. Bei den Sozialdemokraten erhielt der Antrag gerade einmal zwölf Gegenstimmen – von 319 abgegebenen.

Den Weg dafür hatte Johannes Rau mit einer umjubelten Rede frei gemacht. Mit der rot-grünen Koalition werde das Rad zwar „nicht neu erfunden“, aber eine „Menge der verabredeten Projekte“ wiesen den Weg nach vorn. Rau wörtlich: „In keiner anderen Konstellation hätten wir mehr durchsetzen können.“ Der frühere Fraktionschef Friedhelm Farthmann behauptete zwar das genaue Gegenteil, aber die Mehrheit der Delegierten folgte ihm nicht. Auch bei den Grünen ging es den Kritikern, die ihrer Verhandlungsdelegation „einen verdammt schlechten Deal“ vorwarfen, der im Ergebnis nichts weiter als „sozialdemokratische Lyrik“ gebracht habe, nicht anders.

Auch die bundespolitische grüne Prominenz warb flügelübergreifend für das neue Bündnis. Reala Krista Sager verband den Düsseldorfer Pakt schon mit dem „Countdown für die Ära Kohl“, und der Linke Ludger Volmer beschwor die „Reformperspektive in ganz Deutschland“. Auch Rau ging auf die Bonner Perspektive kurz ein, wenn auch wesentlich vorsichtiger: Wenn die Koalition erfolgreich arbeite, „kann dadurch auch Vertrauen entstehen, das wir brauchen, damit auch in Bonn eine neue Mehrheit entsteht“. Wolfgang Clement, auf seiten der SPD der eigentliche politische Architekt des Bündnisses, glaubt, daß die Vereinbarungen eine gute Basis „für eine arbeitsplatzschaffende neue Energiepolitik“ bieten. Sowohl Clement als auch Rau gaben sich überzeugt, daß der Braunkohletagebau Garzweiler II kommen werde. Das genaue Gegenteil verbreiteten die Grünen in Kevelaer; der grüne Landtagsabgeordnete Gerd Mai drohte schon vorsorglich mit dem Bruch der Koalition.

Mit Blick auf die scharfen Proteste der Bergleute, die vor Beginn des Parteitags in Hagen demonstrierten, sagte Rau, der sich von einigen Schmährufen „tief verletzt“ zeigte: „Ich habe kein Wort gebrochen, und ich werde kein Wort brechen.“ In der Übereinkunft mit den Grünen gebe es „nichts, was mit den Aussagen unseres Regierungsprogramms nicht vereinbar wäre“. Das sei nur möglich geworden, weil sich auch die Grünen während der fünfjährigen Oppositionszeit im Landtag verändert hätten. Klaus Matthiesen, der neue SPD-Fraktionschef und bisher einer der schärfsten Kritiker rot-grüner Vereinbarungen, versprach, daß auch die SPD- Fraktion den Erfolg der neuen Koalition wolle, „und der Vorsitzende wird den Karren ziehen“. Walter Jakobs Seite 4