"Vorurteile werden zu purer Freundschaft"

■ Vier Jahre Modellprojekt zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit im Lagerhaus Schildstraße / Fortsetzung noch unklar

„Irgendwann spielt die Nationalität keine Rolle mehr, und aus den Vorurteilen wird pure Freundschaft.“ Ein schöneres Fazit für ihre Arbeit am Modellprojekt zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit bei Jugendlichen könnte sich die Sozialpädagogin Leman Ali Khan nicht wünschen. Vier Jahre lang haben fünf Mitarbeiter des Kulturzentrums Lagerhaus im Rahmen des von Bund und Land geförderten Modellversuchs ein Freizeitprogramm für deutsche und ausländische Jugendliche organisiert. Ihre Erfahrungen haben sie jetzt in einem Abschlußbericht bilanziert.

Rund 1.500 Jugendliche aus Kurdistan, der Türkei, Jugoslawien, Italien, Bosnien, dem Iran und Deutschland haben an den verschiedenen Kursen teilgenommen. Sie saßen gemeinsam am Computer, lernten kurdische Volkstänze, spielten Eishockey, übten sich im Tischlern oder schweißten aus Schrotteilen ein riesige Kunstobjekt. Die Jugendlichen hatten auf diese Weise nicht nur Gelegenheit, multikulturelle Kontakte zu knüpfen, sondern sich auch beruflich zu qualifizieren. „Begegnung ist möglich, auch wenn es manchmal nicht leicht ist“, faßt Hanns-Ulrich Barde, Koordinator des Projektes, die Erfahrungen zusammen.

Leicht hatten es die MitarbeiterInnen des Modellprojektes nicht: Allein das Antragsverfahren für die Förderung durch das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung dauerte zwei Jahre. Im Sommer 1993 boxte das Kulturzentrum Lagerhaus eine Verlängerung durch – ein Jahr später standen die Mitarbeiter wieder kurz vor dem Aus. Das Land sprang seinerzeit in die Bresche und übernahm 70 Prozent der Kosten – eine Stelle fiel den Sparzwängen zum Opfer.

„Die schlimmste Krise hatten wir allerdings nach den Morden von Mölln“, erinnert sich Leman Ali Khan. „Über Nacht war der Friede zwischen den Deutschen und den MigrantInnen gestört. Es hieß plötzlich, ,ich haße alle Deutschen'“, bestätigt auch Hanns-Ulrich Barde. Guter Rat war teuer. Die Jugendlichen diskutierten, daßdie Fetzen flogen und gingen schließlich in die Offensive. Sie holten sich die SenatorInnen Gärtner, Trüpel und van Nispen an den runden Tisch und schilderten den PolitikerInnen ihre Ängste. „Das ist unheimlich gut angekommen“, sagt Hanns-Ulrich Barde.

Das Interesse der Jugendlichen für Politik zu wecken, wurde zu einem wichtiges Anliegen des Modellversuchs. Ein Schritt in diese Richtung war auch die „Einbürgerungsoffensive“. Nach § 85 des Ausländergesetzes haben Jugendliche, die mindestens 8 Jahre in Deutschland gelebt haben und sechs Jahre hier zur Schule gegangen sind, unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Einbürgerung. Sie können einen deutschen Paß beantragen. „Viele Jugendliche wissen davon nichts. Die Mitarbeiter des Projekts halfen den Jugendlichen beim Ausfüllen der Formulare und begleiteten sie zu den Behörden. „Mitunter dauerte die Bearbeitung solcher Anträge zwei Jahre“, empört sich Barde.

Mit der Einbürgerung sind Vorteile verbunden, wie zum Beispiel das Wahlrecht oder die uneingeschränkte Arbeitserlaubnis innerhalb der Europäischen Union. Auch bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist der rote Paß nützlich. „Für viele Berufe kommen die Jugendlichen ansonsten nicht in Frage“, weiß Barde.

Trotz des großen Interesses seitens der Jugendlichen, steht die Zukunft vieler Kurse in den Sternen. „Die große Koalition ist für uns nicht gerade das Gelbe vom Ei“, sagt Barde und spielt auf die geplanten pauschalen Zuschuß-Kürzungen von zehn Prozent an. „Das ist für uns nicht hinnehmbar. Im Bereich Integration von ausländischen Jugendlichen ist in den letzten Jahren so gut wie nichts investiert worden. Da kann man nicht noch kürzen.“ kes