„Alles voller Wellenbrecher“

■ Bremer Fan-Projekt: noch nicht so ganz glücklich über die Ostkurven-Planung. Schon der polizeiliche „Verwahrungsraum“ ...

„Grundsätzlich“ freut sich das Fan-Projekt Bremen e.V. über den Neubau einer überdachten Ostkurve im Weserstadion. „Grundsätzlich“ zeigte man sich gestern bei der Pressekonferenz auch angetan von der Beteiligung der Fans an den Planungen. Wenn da nicht einige dicke Wermutstropfen wären. Das fängt schon bei den Sicherheitsvorstellungen der europäischen Fußballverbände an: Die wünschen senkrechte Zäune durch den Stehplatzbereich. „Aber das ist doch ein Bewegungsraum, der Stehplatzbereich“, sagt Harald Klingebiel, Mitarbeiter des Fan-Projekts. Wichtig sei doch gerade, daß man andere Gruppen besuchen könne.

Und damit steht das Stichwort „Stehplatzkultur“ im Raum. Dazu gehört natürlich die Fan-Welle „La Ola“. Die würde nicht nur durch die Zäune behindert, sondern noch viel mehr durch die geplanten Sitzplatzvorrichtungen: hohe Rahmen, an denen Lochblechsitze eingehängt sind, die bei Bundesligaspielen hockgeklappt und bei internationalen Spielen, so wie es die UEFA ab 1998 verlangt, zu Sitzen runtergeklappt werden können. Solch ein Klappmodell gibt es in Kaiserslautern. „Das ist ein ganz schlechtes System, ein permanenter Wellenbrecher“, schimpfen die Fans.

„Wir brauchen eine intelligentere Lösung“, fordert Klingebiel die Verantwortlichen bei Stadt und Werder Bremen auf. In Mailand, so ein Fan, würden vor internationalen Spielen an Schienen befestigte Schalensitze auf die Stufen gelegt – das sei natürlich personalintensiv. In Portugal dagegen habe man die Betonstufen einfach durchnummeriert. Sind Sitze verlangt, werden nummerierte Eintrittskarten verkauft. Eine Möglichkeit für Bremen?

England und Italien haben schon heute reine Sitzplatzstadien. In Deutschland dagegen protestierten die Fans mit Vehemenz gegen das neue Sitzgebot, fühlten sich allerdings von der Politik recht alleingelassen. „Wieso zum Beispiel ist Bremen nicht an die EU herangetreten, damit die auf die UEFA und die FIFA einwirkt“, fragt Klingebiel, „ich dachte, es soll ein Europa der selbständigen Regionen geben“. Der DFB und die UEFA machten schließlich auch Lobby-Politik: Hinter der Sitzplatz-Order stecke doch nur das Interesse, andere Schichten in die Stadien zu bekommen... Und der DFB spekuliere auf die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2006.

Daß durch mehr Sitzplätze die Sicherheit in den Stadien erhöht würde, dieses Argument lassen dieFans ohnehin nicht gelten: Vor zwei Jahren hätten 5.000 Schalke-Fans die ganze Westkurve auseinandergenommen und die Schalensitze zudem als Wurfgeschosse benutzt. Außerdem habe die Gewalt deutscher Fans in den vergangenen Jahren erheblich nachgelassen.

Die Fans finden, daß sie schon genug zahlen für das geplante Dach überm Kopf: nämlich mit dem Verlust der Hälfte der bislang knapp 10.000 Plätze. Ein paar tausend werden für immer zu Sitzplätzen.

Dafür allerdings bekommen die Fans auch einen Festraum dazu – für Saison-Abschlußfeten, für Übertragungen von Auswärts-Spielen auf einer Leinwand, für Treffen mit anderen Fan-Clubs, etwa vom AC Mailand. Wermutstropfen aber auch hier: ein polizeilicher „Verwahrungsraum“, Wand an Wand mit dem Saal. „Damit wird das ganze Raumkonzept von Anfang an mit Mißtrauen belegt“, kritisiert das Fan-Projekt.

So dramatisch sieht das Sport-Staatsrat Hoffmann jedoch nicht: Sowas komme doch ganz selten vor, in diesem Jahr zum Beispiel erst einmal, als Rotterdamer Fans in Bremen waren. Und dann sei es doch besser, den Randalierer vor Ort einzusperren, als durch die halbe Stadt zum Revier zu karren.

Die Fans müssen sich beeilen, wenn sie der Stadt noch Zugeständise abtrotzen wollen – bis Ende Juli sollen die Abrißbagger definitiv anrollen, hieß es gestern aus dem Sportressort. Während der Bauzeit bleibt Stehplatz-Fans dann nur noch die Nordkurve. cis