Das singende Krankenhaus

■ Nochmal zehn Prozent kürzen? Das Bremer Theater sieht seinen Fünf-Jahres-Vertrag mit der Stadt verletzt

Noch mehr sparen im Theater? Unmöglich, „wenn es nicht zu einer Provinzbühne verkommen will“ – so äußerte sich die scheidende Kultursenatorin Helga Trüpel (Grüne). Das war Anfang Oktober 1993, und Klaus Pierwoß hatte gerade eingewilligt, unter enormen Sparauflagen die Bremer Intendanz zu übernehmen. 2,5 Millionen Mark pro Jahr muß das Theater seither einsparen gegenüber dem Haushalt früherer Jahre. Jetzt drohen die Vereinbarungen zwischen Stadt und Theater, die in einem Fünf-Jahres-Vetrag festgeschrieben sind, nachträglich verändert zu werden: Die Abmachung der neuen Regierungspartner SPD und CDU, zehn Prozent in den Haushalten aller Ressorts zu kürzen, sorgt am Ende der erfolgreichen ersten Spielzeit der neuen Intendanz für neue Unruhe im Theater.

„Das wäre ein grundlegender Eingriff, der auch die Geschäftsgrundlagen im Sinne meines Vertrages verändert.“ Klaus Pierwoß bemüht sich um Gelassenheit, aber läßt keinen Zweifel daran, wie gravierend er den angedrohten Einschnitt empfindet. Eine solche, neuerliche Kürzung am Theaterhaushalt sei schlicht gegen die Abmachungen, erklärte er der taz gestern auf Anfrage. Die Kultursenatorin und er hätten eine Vereinbarung für einen festen Theateretat über fünf Spielzeiten geschlossen, „der ich mich verbunden fühle“ – gleiches erwartet er auch von der Vertragspartnerin.

Derzeit arbeitet das Theater mit einem Jahresetat von 40,4 Millionen Mark (einschließlich Orchester). Wenn zehn Prozent „nach dem Rasenmäherprinzip“ (Dramaturg Ulrich Fuchs) abgeknapst werden müßten, bedeute das die Summe von über vier Millionen Mark jährlich. „Das ginge nur mit einem mächtigen Personalabbau“, sagt Fuchs. Personal ließe sich aber ohnedies nur dort sparen, wo nicht dauerhafte Tarifverträge geschlossen sind – bei den freien RegisseurInnen und SchauspielerInnen also. Und dann? „Dann kann sich die Dramaturgie und die Technik mit sich selbst beschäftigen.“

Beispiel: 13 TänzerInnen zählen derzeit zum festen Kern des Tanztheaters von Susanne Linke und Urs Diedrich. Natürlich könne man auch theoretisch mit weniger TänzerInnen irgendetwas auf der Bühne darstellen, rechnet Verwaltungsdirektor Rolf Rempe vor. „Aber solange Sie wirklich ein Kollektiv auf der Bühne haben wollen, ist das die geringste Zahl, mit der sie arbeiten können.“ Das sei dann eben „eine politische Entscheidung“: Wenn die Abgeordneten der Bürgerschaft nach dem Sommer darüber entscheiden, ob die Sparquote wirklich durchgesetzt wird, müßten sie sich fragen, „welche Art Theater wir hier haben wollen“.

Daß es auf Provinzniveau hinunterginge, ist für die Theaterleute allerdings keine Frage. Städte vergleichbarer Größe können heute schon mit einem Vielfachen des Bremer Etats spielen; Hannover z.B. mit rund 90 Millionen Mark. Würde weiter gekürzt, dürfte sich Bremen aus dieser Liga verabschieden, sagt Rempe: „Man fragt ja auch nicht die Bremer Krankenhäuser, ob sie künftig auf Kreiskrankenhausniveau arbeiten wollen.“

In der nächsten Saison werden die Bremer allerdings bestimmt noch in der Bundesliga mitspielen. Denn die Spielpläne aller Sparten stehen; das Musiktheater hat bereits Verträge für 1997 unter Dach und Fach. So ließe sich nur noch kürzen „unter Maßgabe von Vertragsverletzungen“, sagt Pierwoß sarkastisch. tw