Rundumschlag

■ Wohnkultur, Folge 2: Vom Preis der Unabhängigkeit oder Die wiederholte Frage nach dem WARUM

Da lebte man jahrelang in aller Zufriedenheit – und mit einer Selbstverständlichkeit – in einer perfekt renovierten Wohnung. Das Balkönchen vor der Tür, die Böden abgezogen, der Stromkreislauf intakt, samt angeschlossener Wasch- und Küchenmaschine; irgendwann fanden eine Getreidemühle den Weg zu uns sowie jede Menge Freunde, mit denen man so manche Nacht in der Küche ... Und außerdem ist da die Freundin, die viel mehr ist als eine WG-Genossin. Wenn nur nicht das Regal platzen und der Bürokram das Bett zumüllen würde. Just in dieser Situation flog mir eine Zweizimmerwohnung im Hinterhaus zu. Kostengünstig, nur ein bißchen renovierungsbedürftig. Zwei, drei Wöchlein, und dann rein in die gemütliche Höhle, ein Kinderspiel! Tisch und Bett, endlich, getrennt! Am 1. April der Auftakt: Tapeten von den Wänden zupfen. Elanvoll nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Wochen strichen ins Land, in denen ich morgens ab sieben Handwerker anrufen und Termine zu anderen nachtschlafenden Zeiten ausmachen mußte, welche sie dann nicht einhielten. Der tägliche Gang zu diversen Baumärkten, Farben- und Fliesengeschäften war längst zur Routine geworden, ein schwerstbepackter Rucksack das Minimum an Handgepäck. Endlich kam die Zeit, in der meine Wohnung aussah wie die Wüste Gobi. Wie Nomaden zogen die Handwerker hindurch, hinterließen Geröllberge, dafür aber eine intakte elektrische Anlage sowie angeschliffene Türen. Der Zeitplan war indes völlig aus dem Konzept geraten, das Bad blieb weiterhin eine Gerümpelkammer, während die Böden in Schwerstarbeit von einem Freund zu ihrem natürlichen Aussehen zurückfanden, bei der Badinstallation und beim Fliesenlegen dann aber wieder Schaden nahmen. So folgte ein Planungsfehler dem nächsten Konstruktionsdesaster, während meine Kräfte durch die Doppelbelastung Bau und Job nachließen. Mit superdeckender Farbe im Haar rannte ich im Mai zum Theatertreffen, und längst hatte ich das praktische Baseballkäppi gegen das Staubstroh auf dem Haupt entdeckt. Gemütlich Essen? Ein Fremdwort. Endlich raffte ich mich dazu auf, die Malerarbeiten für teures Geld erledigen zu lassen. Und viel Geduld war nötig, denn die Herren versetzten mich ein ums andere Mal. Sie kamen zu spät oder überhaupt nicht – wie beispielsweise der, dessen Vater angeblich wegen eines Herzinfarktes ins Krankenhaus mußte.

Als ich schließlich umziehen konnte, war ich völlig abgebrannt. Der Boiler tropfte, dafür ging die Klospülung nicht. Waschmaschine und Gasherd konnte ich allein nicht anschließen, ein unangenehmer Nachbar starrte mir auf mein erstes Frühstück, und ich fragte mich: WARUM? Doch das ist lange her. Mittlerweile beherrsche ich das Freestyle-Jonglieren mit der Bohrmaschine, schmeiße Farbpigmente blind zusammen, kenne mich mit dem Silikongehalt der Dichtungsmasse aus und schließe jede Leitung kurz. Und demnächst wird vielleicht die Heizung eingebaut. Petra Brändle