Kriegsgegner besetzten Gericht

■ Totalverweigerer nach 86 Tagen Armee-Arrest freigelassen

Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär hat gestern früh mit etwa zwanzig bis dreißig Sympathisanten das Truppendienstgericht Nord der Bundeswehr in Potsdam besetzt. Mit der Aktion solle die Verhängung einer fünften Arreststrafe für den Totalverweigerer Lothar Lehmann verhindert werden, teilte die Kampagne mit. Der Protest war erfolgreich: Noch am gleichen Tag wurde der Totalverweigerer nach Angaben der Kampagne aus dem Arrest entlassen.

Der Rekrut hatte 86 Tage in der Kaserne des 2. Fernmeldebataillons 430 in Blankenfelde (Kreis Teltow-Fläming) eingesessen. In der vergangenen Woche hatte er einen zweiwöchigen Hungerstreik abgebrochen und mitgeteilt, er werde erneut die Nahrungsaufnahme verweigern, sollte die Strafe verlängert werden.

Die Kampagne sprach von einem „bundesweit einmaligen Fall“. Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht erlaubten nur drei Arreststrafen. Lediglich in Magdeburg sei einmal eine vierte Arreststrafe von 21 Tagen verhängt worden.

Die Wehrdienstgegner erhoben weiterhin schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehr. So sei der Rechtsbeistand des Rekruten selbst zu den Besuchszeiten am Wochenende nicht vorgelasssen worden. Vergangene Woche hatte die Bundeswehr darauf verwiesen, der Rekrut habe keinerlei Befehle entgegengenommen und versäumt, mit einem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung den Rechtsweg einzuschlagen. Der Fall Lehmann sei „keine Überreaktion der Militärbehörden“, hieß es von der Kampagne, sondern der Versuch, „die Repression gegen Totalverweigerer zum Normalfall zu machen.“

Einsatzkräfte des Potsdamer Polizeipräsidiums beendeten am Morgen die Besetzung des Truppendienstgerichtes. Insgesamt sei es zu 14 Festnahmen gekommen, teilte eine Sprecherin der Polizei gestern auf Anfrage mit. Gegen drei der Beteiligten werde ein Verfahren wegen Diebstahls von Dokumenten eingeleitet. Gegen alle Tatverdächtigten werde zudem wegen Hausfriedensbruchs sowie Sachbeschädigung ermittelt. taz/dpa