Sprachkompetenz vor Paßformalität

■ Schulausschuß beschloß Abschaffung der „Ausländerklassen“, doch das Parlament wies den Antrag zurück / Im Herbst soll erneut abgestimmt werden

Kurz vor der wohlverdienten Sommerpause übten sich die Abgeordneten des Berliner Parlaments noch mal im parlamentarischen Hürdenlauf. Vergangene Woche beschloß der Schulausschuß des Abgeordnetenhauses auf Antrag der Bündnisgrünen, daß es an Berlins Schulen künftig keine reinen Ausländerklassen mehr geben soll. Alle Fraktionen schienen sich weitgehend einig zu sein: Sprachkompetenz geht vor, Paßformalitäten sind zweitrangig. Doch obwohl der Antrag im Ausschuß eine Mehrheit fand, wollte das Plenum ihn nicht behandeln und verwies ihn zurück in den Ausschuß: ein Vorgang, den die grünen Antragsteller als „Beerdigung“ des Anliegens aus finanziellen Gründen betrachten. Nach der gültigen Rechtslage müssen reine Ausländerklassen, sprich „Ausländerregelklassen“, eingerichtet werden, wenn mehr als 50 Prozent der Kinder einer Schulklasse einen ausländischen Paß haben. Wie gut die Deutschkenntnisse der SchülerInnen sind, spielt dabei keine Rolle.

Eine sture Betrachtung der Staatsangehörigkeit hilft aber nach Meinung der Grünen nicht weiter: Allein der pädagogische Aspekt sollte entscheiden, wie die einzelnen Klassen eingerichtet werden, begründete Sybille Volkholz, bildungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, den Gesetzesänderungsantrag ihrer Fraktion. Zur Zeit blieben beispielsweise Aussiedlerkinder mit sehr geringen Deutschkenntnissen in der Klasse, weil sie einen deutschen Paß hätten. Ausländische Kinder mit teilweise guten Deutschkenntnissen säßen dagegen in den Ausländerregelklassen. Dies sei der Integration nun überhaupt nicht föderlich, meinte Volkholz. In Zukunft solle nur die Sprachbeherrschung den Ausschlag geben und natürlich müsse man SchülerInnen, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, mit Förderkursen unter die Arme greifen.

Doch diese Gesetzesänderung sollte das Parlament nicht problemlos passieren: Auf Empfehlung von SPD und CDU wurde der Antrag zur erneuten Abstimmung in den Schulausschuß zurücküberwiesen. „Das ist die Beerdigung“, quittierte Sybille Volkholz das Vorgehen der Großen Koalition.

Von einer „Beerdigung“ könne hier nicht die Rede sein, konterte Petra Merkel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Auch wir wollen hier eine Änderung des Schulgesetzes.“ Allein mit der Streichung der Regelung, die bei einer Ausländerquote von 50 Prozent die „Ausländerregelklasse“ erfordere, sei dem Problem aber nicht beizukommen, sagte Petra Merkel. Der gesamte Paragraph müsse, da er völlig veraltet sei, grundsätzlich neu überarbeitet werden. – Auch Marion Kittelmann von der CDU-Fraktion ist sich mit ihrer Kollegin von den Sozialdemokraten einig: Die Abstimmung im Ausschuß sei ein Schnellschuß gewesen. Grundlegende Dinge wie zum Beispiel absolut notwendige Stütz- und Förderkurse für sprachlich schwache Schüler seien in keiner Weise gesichert. Vieles, was bisher in einzelnen Schulen unterderhand mit finanziert wurde, sei jetzt durch knappe Finanzen gefährdet. Hier müsse mit dem Koalitionspartner eine gemeinsame Lösung gefunden werden.

Als „Quatsch“ bezeichnete Sybille Volkholz die Erklärungsversuche ihrer Kolleginnen. Offensichtlich solle hier eine politische Entscheidung, die längst überfällig sei, vorgeschobenen finanziellen Zwängen geopfert werden, argwöhnt sie. „Die Senatsschulverwaltung hat die Bremse gezogen, und wahrscheinlich haben die Kollegen von der CDU jetzt kalte Füße bekommen.“ Daß die SPD aber hier Schützenhilfe leiste, sei „absolut dreist“, kommentierte Volkholz. Michaela Eck