■ Diepgen 3.485 Tage im Amt
: Viele Tage zuviel

CDU-Generalsekretär Dieter Ernst überraschte den Rekordhalter gestern mit einem Glasgefäß und 3.485 „echten deutschen Kupferpfennigen als symbolischem Lohn für jeden Tag seiner Amtszeit“. Pfennige aber hatte der Jubilar Eberhard Diepgen eigentlich nicht im Sinn, als er einst aufbrach, Regierender Bürgermeister zu werden. Seit gestern ist er der dienstälteste Regiermeister Berlins. Doch einige Tage wird Diepgen wohl gerne abziehen lassen und möglichst nicht daran erinnert werden.

Fähnleinführer Diepgen schaffte es zwar mit seinen 68er Revolutionären der etwas anderen Art, mit den Kämpfern aus der schlagenden Studentenverbindung, wie Klaus-Rüdiger Landowsky, Gero Pfennig, Peter Kittelmann und Dankward Buwitt, sich im Windschatten an die Macht zu schleichen und 1984 den abtretenden Bürgerkönig Richard mit der Silberlocke zu beerben. Die Wiederwahl ein Jahr später aber schaffte der „blasse Eberhard“ nur, weil die üppigen Geschenke der Baubranche an die Adresse der CDU noch unter der Decke gehalten werden konnten.

Als Antes wenig später nicht mehr nur ein rühriger Parteifreund Diepgens, sondern das Synomym für Bestechlichkeit war, war auch der Regierende Bürgermeister in Erklärungszwang. Den Verbleib von 75.000 Mark in persönlich übergebenen Briefumschlägen wußte „das Diebchen“ (O-Ton Dieter Kunzelmann) nur unzureichend zu erklären. Übergeben habe er das Geld teilweise an einen Spezialfonds der Parteiführung – der so spezial war, daß selbst altgediente CDU-Vorständler noch nie davon gehört hatten. Nur Seilschaftsmitglied Buwitt war so dumm, sich beim kostenlosen Einbau einer Heizung durch einen Baulöwen erwischen zu lassen. Der wurde dafür als Abgeordneter nach Bonn abgeschoben.

Die Quittung für die Prinzen der City, die meinten, sie könnten sich alles erlauben, kam bei der Wahl Anfang 1989 – auch ein Datum, an das Diepgen nicht erinnert werden möchte. Und trotz seiner Bemühungen seit seinem Comeback 1990, ganz Landesvater zu sein, ist Diepgen doch vor allem ein Produkt der miefigen Berliner Provinz zwischen Mauer und Bordellhinterausgang geblieben. Eine seit dem Mauerfall anachronistisch werdende Spezies, machthungrig und so nah an der Schmiere gegründet, daß der ehrenwerte Bankier, CDU-Fraktionsvorsitzende und Multifunktionär Klaus-Rüdiger Landowsky selbst unter Halbwelt-Loddeln eine gute Figur abgibt. Herzlichen Glückwunsch! Sie werden Berlin nach dem 22. Oktober nicht fehlen. Gerd Nowakowski