„Erstmal rantasten“

■ Bringfriede Kahrs (SPD), seit gestern Senatorin für Kultur u.v.a.m., über ihren neuen Job

taz: Der alte Senat glaubte, mit einem eigenständigen Kulturressort eine profiliertere Kulturpolitik leisten zu können, in sehr engen Haushaltsgrenzen allerdings. Glauben Sie, den chronischen Geldmangel der Bremer Kultur in einem größeren Ressort besser ausgleichen zu können?

Bringfriede Kahrs: Darauf setze ich, ja. Dadurch werden synergetische Effekte möglich. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß es eine Teilbudgetierung gibt – also so etwas wie ein autonomes Wirtschaften innerhalb von Eckwerten, zum Beispiel auch beim Personal. Sowas hat man bisher ja nicht versucht. Außerdem haben wir die Experimentierklausel im Haushaltsgesetz, die muß man besser nutzen als bisher. Damit kann man manchmal zwischen Haushaltsstellen Mittel bewegen, immer mit Zustimmung der Deputierten natürlich.

Ich denke, daß die Kultur in diesem Großressort, das man da zusammengezimmert hat, einen eher kleinen Bereich einnimmt, was die Eckwerte angeht. Der Kulturhaushalt umfaßt ja zur Zeit 124 Millionen Mark, das gesamte Ressort verfügt über 1,5 Millionen Mark. Aber politisch hat dieser Bereich einen ganz anderen Stellenwert; dieses möchte ich unbedingt erhalten.

Wer soll denn unter den notleidenden Ressorts Bildung, Wissenschaft und Kunst etwas an wen abgeben?

Es geht nicht ums Abgeben. Es geht um Konsolidierung und Konzentration, wie das auch im Koalitionsvertrag nachzulesen ist. Wenn ich zum Beispiel die Stadtteilkultur nehme, heißt das, daß für einen Stadtteil so etwas wie ein Kulturkataster zu erstellen ist. Also: Wer macht da welche Angebote, was gibt's da? Und dann ist es das politische Ziel, die Angebotsvielfalt für diesen Stadtteil zu erhalten. Die Leute brauchen das. Ich halte das für ein Grundbedürfnis. Da heißt Konzentrration: Nutzung von Räumen, die vorhanden sind. Man muß da nicht jedes Gebäude behalten. Man kann aber die Inhalte bündeln und an einen zentraleren Ort bringen; dann spare ich zum Beispiel die Energiekosten.

Im Wahlkampf hat Ihr Parteigenosse Helmut Hadré behauptet, die SPD werde sich für eine Erhöhung des Kulturetats einsetzen. Werden Sie dafür streiten, auch, wenn die Koalition alle Haushaltsausgaben um zehn Prozent kürzen will?

Ich muß dafür streiten. Ob es durchsetzbar ist, weiß ich noch nicht. Ich setze aber besonders auf die Möglichkeiten des großen Ressorts. Das ist für mich ein Handlungsspielraum, der vielleicht auch der Kultur zugutekommen kann. Ganz wesentlich wird dabei sein, daß die Gelder aus dem WAP (Wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm, Anm. d. Red.), die bisher für Kultur ausgegeben worden sind, nun auch mit Hausnummern benannt werden. Die Verabredung ist, daß dieses auch in der gleichen Höhe wie bisher bleibt, aber nun in die Veranwtortung des Kultursenators kommt. Genau wie die WAP-Mittel für Wissenschaft nun in die Verantwortung des Wissenschaftssenators fallen. Natürlich müssen die im Sinne der Wirtschaft weiterhin vor allem für die Standortsicherung eingesetzt werden.

Im Koalitionsvertrag ist auch die Zukunft der Stadtbücherei angesprochen: Sie soll „auf der Grundlage der Konzepte der Koalitionspartner“ neugeordnet werden. Welches Konzept wollen Sie denn umsetzen – das der CDU oder das der SPD?

Die beiden Konzepte sind nicht deckungsgleich, aber in der Anzahl der zu erhaltenden Stadtbüchereien sind sie gleich.

Gibt es damit auch eine neue Zentralbücherei in absehbarer Zeit?

Das sehe ich erstmal so noch nicht. Die Zentralbibliothek ist als eine Wünschbarkeit zu sehen. Das will ich gar nicht bestreiten aus inhaltlich-fachlicher Sicht. Aber ich sehe nicht, wo man im Moment das Geld hernimmt, um ein Gebäude neu zu bauen.

Welche Akzente möchten Sie in der Kulturpolitik setzen?

Ich möchte die bestehenden Einrichtungen lebensfähig halten; und zwar nicht provinzmäßig. Ich möchte, daß die notwendigen Sanierungsbedarfe an den Baulichkeiten angesetzt werden. Ich möchte, daß die Stadtteilkultur, die Soziokultur, die Bürgerhäuser als Kristallisationspunkt – daß diese Szenerie lebendig bleibt.

Das ist die inhaltliche Seite. Dagegen steht das rigide Sparprogramm, mit dem ich natürlich zurechtkommen muß. Aber über Prioritäten kann ich im Moment noch überhaupt nichts sagen. Das ist eine Frage des Dialogs, des Sich-Bekanntmachens. Ich muß mich erstmal rantasten an diesen Bereich, die Menschen kennenlernen. Ich bin da guten Willens. Ich kann da meine Bereitschaft anbieten, Gespräche zu führen, zu gucken, um zu vernünftigen Vereinbarungen zu kommen, nicht zu Streit produzierenden. Ich glaube, was wir am wenigsten gebrauchen können in dieser Stadt, ist Krawall, weil es vielleicht von einigen für politisch opportun gehalten wird.

Wann gab es denn zuletzt Krawall in der Kulturszene?

Es gab in der Ampel aus meiner Sicht Kompromisse, die hätten politisch getragen werden können. Aber es gab im Senat – und da spreche ich vorrangig meine eigenen Leute an – Leute, die waren kompromißunfähig. Und wir brauchen die Fähigkeit zum Kompromiß ganz entscheidend.

Bei ihrem Einzug in die Bürgerschaft 1987 sagten Sie, Sie seien „im Interesse der Frauen gegen die Frauenquote“. Stehen Sie dazu?

Ich glaube, die Erfahrung hat gezeigt, daß die Quote notwendig war. Ich glaube, daß dieses Parlament nicht so zusammengesetzt wäre, wenn die Quote nicht gewesen wäre. Das Ziel muß aber bleiben, daß die Quote überflüssig wird. Wenn die Frauen erstmal 40 Prozent der Plätze einnehmen, dann bilden sie auch ein eigenes Bündnis, ihre eigene Sprache und ihre eigenen Netze.

Fühlen Sie sich innerhalb der SPD-Senatorinnen- und Senatorenriege als Quotenfrau?

Henning Scherf hat auf dem Landesparteitag ausdrücklich gesagt, daß Christine Wischer und ich dieses ausdrücklich nicht seien. Ich denke, das hat er auch so gemeint. Trotzdem kann ich gar nicht sicher sein, daß, wenn die Quote nicht da wäre, daß es nicht anders gekommen wäre.

Fragen: Susanne Raubold, Thomas Wolff