Schweigen erlaubt

■ Was der neue §218 für Bremerinnen konkret bedeutet

„Laut Gesetz bin ich verpflichtet, Sie nach den Gründen für den Abbruch zu fragen – Sie müssen mir aber nicht antworten.“ So oder so ähnlich werden die 50 BeraterInnen im Lande Bremen künftig mit ungewollt Schwangeren reden, falls nächste Woche das neue Abtreibungsgesetz im Bundesrat durchkommt. Zur Zwangsberatung müssen die Frauen zwar kommen, sie dürfen jedoch schweigen. Die für den Abbruch notwendige Beratungsbestätigung erhalten sie trotzdem. Ein zwiespältiges Gesetz, und das nicht nur für die zur Abtreibung entschlossenen Frauen. In einer unguten Situation sehen sich auch die BeraterInnen: Einerseits sollen sie die Frauen zur Fortsetzung der Schwangerschaft „ermutigen“, andererseits das Gespräch „ergebnisoffen“ führen.

„Wie soll man denn da ermutigen, wenn sich geschätzte 80 bis 90 Prozent der Frauen, die sich bei uns beraten lassen, eigentlich schon zu einem Abbruch entschlossen haben?“ fragt kopfschüttelnd Thomas Jürgens, Berater und Pressereferent bei Pro Familia in Bremen. Wie eine Frau ermutigen, die mitten im Examen ungewollt schwanger geworden ist, sich außerdem von ihrem Freund getrennt hat und schwierige Berufsausichten hat? Nachvollziehbare Gründe, findet der Pro Familia-Berater. Trotzdem muß er die Frau fragen, ob sie denn alle möglichen Hilfen in ihre Entscheidung einbezogen hat. „Vielleicht stellt man dann irgendwann fest, daß alle Hilfen nicht greifen, aber man hat immerhin gemeinsam mit der Frau phantasiert, was wäre, wenn sie ein Kind bekäme. – Und das Gesetz sagt ja auch: Die Letztverantwortung liegt bei der Frau.“

Die verzwickte Beratungssituation ist den Bremer BeraterInnen allerdings nicht neu: Denn schon 1993 hat das Bundesverfassungsgericht als Übergangsregelung eine solche schwangerschaftsermutigende Beratung per Urteil angeordnet. Und zwar verbindlich.

Ist die Beratung noch kostenlos, muß die Frau für den Abbruch selbst aufkommen. Es sei denn, sie bezieht Sozialhilfe oder Bafög – oder ihr persönlich verfügbares Einkommen übersteigt nicht 1.700 Mark netto im Monat, erklärt Silke Stroth vom Sozialsenator. Persönlich verfügbar heißt: Schnell abrufbare Guthaben auf Konten werden mitberechnet, nicht aber das Einkommen des Partners. Für jedes Kind im Haushalt erhöht sich die Einkommensgrenze um 400 Mark. Außerdem: Übersteigen die Kosten für die Unterkunft 500 Mark, so erhöht sich ebenfalls die Einkommensgrenze um diesen Mehrbetrag, jedoch höchstens um 500 Mark.

Alle Frauen, die unter diese Grenze fallen, können bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme beantragen – allerdings nur vor dem Abbruch. Die Krankenkasse holt sich das Geld dann wieder vom Land Bremen. Während der Übergangsregelung ab 1993 gab es bereits eine ähnliche Einkommensgrenze. Seitdem haben pro Jahr rund 1.000 Frauen im Land Bremen den Abbruch bezahlt bekommen. Insgesamt haben im Jahr 1993 genau 1863 Bremerinnen und Bremerhavenerinnen abgetrieben. Hinzu kamen 2.246 Frauen aus Niedersachsen. Denn in Niedersachsen gibt es erst seit der Rot-Grün-Regierung ein Familienplanungszentrum der Pro Familia in Hannover. Ein einziges. Ansonsten nur ganz verstreut einzelne ÄrztInnen.

Immerhin eine erfreuliche Neuerung bietet das Gesetz: Es schreibt fest, daß ÄrztInnen für einen Abbruch maximal das 1,8fache des Satzes in der Gebührenordnung verlangen dürfen (auch von PrivatpatientInnen). „Das macht über den Daumen 300 Mark“, rechnet Thomas Jürgens vor. Vor zwei Jahren wurden der taz bei einer Umfrage unter Bremer ÄrztInnen noch Honorare bis zu 450 Mark genannt – in anderen Bundesländern sollen für ambulante Abbrüche bis zu 1.000 Mark verlangt worden sein. cis