: Protest mit Erfolg: Setareh darf bleiben
■ Innensenator van Nispens letzte Amtshandlung: 16jährige Iranerin bekommt Aufenthaltsrecht
„Nach der Überprüfung steht fest: Setareh wird nicht abgeschoben“, so kurz und unbürokratisch einfach entschied Innensenator Friedrich van Nispen gestern an seinem letzten Amtstag – acht Tage nachdem die taz öffentlich gemacht hatte, wie die dem Innensenator unterstehende Ausländerbehörde die Abschiebung einer 16jährigen iranischen Schülerin betreibt (vgl. taz vom 26.6.). Noch im Januar 1995 hatte das Bremer Verwaltungsgericht unter Berufung auf die „Praxis des Senators für Inneres“ geurteilt: „Ein Aussetzen der Abschiebung kommt nicht in Betracht. Dem gegenwärtigen Schulbesuch ... hat die Ausländerbehörde durch Verlängerung der Ausreisefrist bis zum 31.8.1995 hinreichend Rechnung getragen.“
Zur Vorgeschichte: Seit sechs Jahren besucht Setareh Ghofrani das Schulzentrum Kornstraße, mit zehn Jahre war sie aus dem Iran geflüchtet. Ihr damals 14jähriger Bruder war zu einer der berüchtigten Kinder-Einheiten im Krieg gegen den Irak eingezogen worden und hatte den ersten „Familien“-Urlaub 1987 zur Flucht genutzt. Setarah kam 1988 nach, später auch die Mutter mit Setarehs dreijährigem Bruder.
In den sechs Jahren hat Setareh in Bremen fließend deutsch reden, spielen, tanzen und denken gelernt. Ihr ist die iranische Kultur fremd und sie beherrscht die persische Schriftsprache nicht. Ihr inzwischen neunjähriger Bruder reagiert auf Gespräche über eine Rückkehr nach Teheran, erzählt Setareh, mit Angst und den Worten: „Ich bin ein Deutscher.“
Weil sie keine rechtlichen Möglichkeiten in dem Verfahren gegen den bremischen Innensenator mehr sah und die geräuschlose Abschiebung mitten in den Ferien fürchtete, mobilisierte sie mit ihrem engagierten Lehrer Bodo Bilinski die Schulöffentlichkeit. Als die Innenbehörde es im Juni ablehnte, einen Termin mit dem Senator für eine Protest-Delegation der Schüler zu nennen, wandten sich Setareh und ihr Lehrer an die taz. Am Montag, 26.6. stand der entsprechenden Bericht in der taz, am Dienstag demonstrierten 200 SchülerInnen mit Plakaten von dem taz-Foto in der Hand vor dem Rathaus. Innensenator van Nispen hatte kurz vor der ihm angekündigten Ankunft der Demonstration die Senatssitzung verlassen. Bürgermeister-Kandidat Henning Scherf aber kam heraus, sagte, offenbar über den Fall informiert, ermutigende Worte und schrieb auf die Unterschriftenliste der SchülerInnen: „Ich finde ganz stark, daß die Schüler und Schülerinnen der Kornstraße für Setareh kämpfen.“
Eine Woche danach heißt es in der Pressemitteilung des Innensenators: „Da nicht auszuschließen ist, daß ihre Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vor dem in der Altfallregelung für iranische Staatsangehörige festgelegten Stichtag 31.12.1989 erfolgte, wird sie aufgrund der besonders gelagerten Umstände ihres Falles in die Altfallregelung einbezogen.“ Das hatte allerdings das Verwaltungsgericht im Januar 1995 schon festgestellt, die Innenbehörde wollte Setareh dennoch abschieben. K.W.
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