Vom Bolzen und Balzen

■ Kein bierernster Leistungsdruck bei der schwul-lesbischen Fußball-WM

Schwule ohne Lippenstift und Fummel, Lesben ohne Kajal und Ledermütze – bei der ersten lesbisch-schwulen Fußball-WM werden sämtliche Klischees Lügen gestraft. Eingehüllt in lila Trikots und Ringelkniestrümpfe, gestärkt mit Nackensteaks vom Holzkohlengrill, und angefeuert von Coach und Cheerleadern kämpfen je zwölf männliche und weibliche Teams um den Siegerpokal.

Aus den USA, London, Mailand und Madrid ist noch bis zum 7. Juli die Weltklasse schwuler Amateur- Kicker in Charlottenburg versammelt. Aus dem gesamten Bundesgebiet und Amsterdam sind die besten lesbischen Fußballerinnen angereist. Es herrscht „Multikulti-Stimmung“. WM- Sprache ist „denglish“, ein fröhlicher Mix aus Amislang und Berlinerisch, wa.

„You are all winners, Brüder und Schwestern!“ lautet denn auch die Devise der KickerInnen, denn hier geht‘s nicht nur um Fußball und Leistung, sondern auch darum, Schwule und Lesben aus der ganzen Welt kennenzulernen. „Das rumbalzen gehört schließlich auch dazu“, erklärt Sonja, Spielerin bei den Berliner „Spreehasen“, einem Reporter, offensichtlich Hetero. Der versteht nicht recht. „Bolzen ...? Ach so, flirten“.

Sonjas absoluter Favorit sind die schwulen „Manndecker“ aus Frankfurt – aber nur, wenn wieder die hübsche blonde Nummer 10 mitspielt. Am Wettbüro im Bauchladen werden eifrig Tips abgegeben. Hoch im Kurs stehen das Berliner Frauenteam „Hopelessly Devoted“, Goldmedaillengewinner bei den Gay Games in New York 1994, und die Boys aus Köln und Atlanta. Letztere haben ihre Wettquote vor allem selbst eifrig in die Höhe getrieben. „You need confidence in your own team, don‘t you?“ Die rot-schwarz-geringelten Kölner wurden im vergangenen Jahr erster schwuler Fußballweltmeister.

Obwohl am Fußballfeld eifrig gefachsimpelt wird und Begeisterungsstürme bei den wenigen Toren losgehen – „Abseits!“, „Go for it!“ –, kann von bierernstem Leistungsgerangel und verfeindeten Fans keine Rede sein.

Anders als bei den Schaukämpfen der männlichen Bundesligisten-Profis geht‘s hier völlig ohne Bierdosen, Deutschlandhymne, Rempelei und Eisspray ab. Dafür herrscht fröhliche Stimmung und Freude über das Zusammensein. „Wir sind vorsichtiger im Umgang miteinander. Vielleicht liegt das daran, daß alle in der Mannschaft potentielle Sexualpartner sind“, erklärt Michael vom Berliner Schwulen-Sportverein „Vorspiel“.

Auch Makrine, die schon Fußball spielt seit sie laufen kann und heute beim Team der TU Berlin ist, möchte vor allem „schön spielen“ und „viele Ballkontakte“ haben. Wichtig findet sie auch, daß die WM zum ersten Mal eine gemeinsame Sache von Schwulen und Lesben ist. „Ansonsten geht die Solidarität unter den Homosexuellen zumindest in der Berliner Szene ja immer mehr verloren.“

Zum Kennenlernen besteht genug Gelegenheit, sei es interkulturell oder intersexuell: Ein Picknick im Tiergarten, ein Ausflug nach Sanssouci und Sachsenhausen sowie eine Abschlußparty nach dem großen Finalspiel am Freitag stehen auf dem Programm. Silke Fokken