■ Schwedisches Museum kämpft für Leonardo da Vinci
: Keine Hamburger für Jesus

Stockholm (taz) – Als der Wein sich in Cola verwandelte, das Abendmahl in Hamburger und Pizza, war das für schwedische KunstliebhaberInnen keine Frage eines wundersamen Reklamegags, sondern nur noch die einer unzulässigen Verunglimpfung. Erst füllten sich die Leserbriefspalten der Tageszeitungen mit Protestbriefen, dann schlug das Staatliche Kunstmuseum mit dem juristischen Hammer zu. Objekt des Aufruhrs: Werbeplakate der Hamburger-Kette „Clocks“, die seit einigen Tagen die Wände der Stockholmer U-Bahn-Stationen schmücken.

Leonardo da Vincis Jesus an der langen Tafel der „Abendmahl“- Szene blickt gütig auf den eiligen Reisenden herab und bietet ein „Number-One-Essen“ oder eine Pfannenpizza für 42 Kronen an. Cola inklusive. „Tief kränkend“ findet Jesus H°akon, Chefjurist des Staatlichen Kunstmuseums, den Mißbrauch von Leonardo und Jesus: Leonardo da Vinci habe sich sicherlich nie träumen lassen, daß sein Meisterwerk „Abendmahl“ einmal für eine Hamburger-Reklame herhalten würde. An Hackfleischbrötchen dürfte da Vinci tatsächlich nicht gedacht haben, aber weil man ihn nicht mehr fragen kann, fühlen sich die Hüter seines künstlerischen Erbes verpflichtet, aktiv zu werden.

Was gar nicht so einfach ist. Der Meister ist seit einigen hundert Jahren tot, und ein formales Copyright an seinen Werken gibt es nicht. Allerdings hat die Schwedische Akademie der Schönen Künste ein gesetzliches Mandat, ein Gerichtsverfahren einzuleiten, sofern jemand innerhalb der Grenzen des Königreichs das „ideelle Recht“ alter KlassikerInnen verletzt – wenn diese verunglimpft, verfälscht oder sonstwie mißhandelt werden. Die Akademie prüft derzeit noch, ob sie auf Begehren des Kunstmuseums aktiv werden soll. Es wäre jedenfalls der erste Fall, daß ein solcher „Klassikerschutz“ in Schweden vor Gericht behandelt würde.

Für Håkon Olofsson bei der für die Werbung verantwortlichen Firma Och ist die ganze Frage allerdings weniger eine solche des Klassikerschutzes: Daß die Leute plötzlich so aufgeregt reagieren, habe wohl mehr damit zu tun, daß es sich bei da Vincis „Abendmahl“ um ein Werk mit christlicher Symbolik handele: „Die sollten sich aber überlegen, ob man christliche Motive dann nicht nur zu leblosen Reliquien macht“, verteidigt der Werbemann sein Werk. – „Clock hat durchaus recht, wenn es für seine Hamburger-Reklame das Motiv des letzten Abendmahls genommen hat“, ruft dagegen ein Leser des Stockholmer Dagens Nyheter in einem Leserbrief zum Hamburger-Boykott auf, „weil es nämlich ganz viele sein werden, die nunmehr ihre allerletzte Mahlzeit bei Clocks gegessen haben.“ Doch hält es der Hamburger-Konzern mit Herodes und wäscht seine Hände öffentlich in Unschuld: Das Reklamebüro habe garantiert, alles sei okay mit der Klassiker- Ergänzung, weshalb man keinen Grund gesehen habe, die Da- Vinci-Abwandlung zu stoppen. „Und auch rein gefühlsmäßig habe ich keine Probleme mit der Werbung“, so Clocks-Verkaufschef Andreas Grimelund: „Die richtet sich vorwiegend an junge Konsumenten, und die verstehen die Botschaft.“

Zum Kopfzerbrechen für alle mittlerweile in Aktivität getretenen JuristInnengehirne hat die Werbefirma Och darüber hinaus auch noch einen möglicherweise wichtigen Trumpf in der Hinterhand. Als Bildvorlage für die Reklamekampagne verwendete man allem Anschein zum Trotz angeblich nicht Leonardo da Vincis Originalfresko, sondern eine nachgemalte Kopie des Werks. Reinhard Wolff