Mühsamer Aufstieg

■ Heute diskutieren die ARD-Intendanten ihre Strategie für das Erste Programm: Wo ist der Ausgang aus dem Quotental?

Wenn sich heute die ARD-Intendanten zu einer Strategiesitzung treffen, dann steht die Zukunft von zwei der sechs Politmagazine auf der Kippe. „Konzentration auf vier politische Magazine“ hat ARD-Programmdirektor Günter Struve in ein Zwölf-Punkte-Papier hineingeschrieben, das die Intendanten heute diskutieren wollen. Neben dem am wenigsten gesehenen ARD-Magazin „Kontraste“ (6,1 Prozent in diesem Jahr) soll es noch „Report Baden- Baden“ treffen, das immerhin auf 8,3 Prozent Einschaltquote kommt. Dagegen soll „Panorama“ (7,1 Prozent) weiter senden dürfen – ist es doch das einzige, das aus dem Norden kommt.

Das neue Proporzmodell läuft nämlich unter dem euphemistischen Namen „Windrose“ – je ein Magazin für Ost („Fakt“ vom MDR), Süd („Report aus München“), West („Monitor“, WDR) und eben den NDR. Noch ein anderer Proporz würde sich dann – ganz nebenbei – einstellen: Den konservativ gestrickten Sendungen von BR und MDR würden künftig nur noch zwei mit eher linksliberaler Tendenz gegenüberstehen.

In Struves Vorlage, die nach der Klausurtagung der ARD-Fernsehdirektoren vom 14.Juni entstand, wird zwar „Kompensation für die entfallenen Magazine“, die am Donnerstagabend keinen Platz mehr finden, in Aussicht gestellt. Die betroffenen Sender, SFB und SWF, goutieren den Vorschlag dennoch nicht und haben schon mal Einspruch eingelegt.

Hintergrund der Strategiesitzung der Intendanten ist eine zumindest von einigen Sendern rigoros betriebene Selbstkritik am Ersten Programm. So läßt der WDR in seiner Vorlage für die Tagung kaum ein gutes Haar an den meisten Sendestrecken: Der Vormittag von 9 bis 13 Uhr biete an Wochentagen „ein nicht immer attraktives Wiederholungsprogramm“, hier falle die ARD „weit hinter RTL zurück“ (im Mai mit 11,1 gegenüber 27,3 Prozent). Struve will als Abhilfe die „Entwicklung einer eigenen Vormittagsprogrammsendung mit durchgehendem Mittagsmagazin“ diskutieren lassen.

Nachmittags fehlt es, so der WDR, „an massenattraktiven, eigenständigen, erprobten Formaten“. Gelobt werden nur die neuen Daily Soaps („recht positiv“), dann kommt es wieder dicke: In der Primetime von 20 bis 23 Uhr sei die ARD dieses Jahr nur den Februar über „Marktführer“ gewesen – 1994 war sie es noch „in der Regel“.

Überhaupt die Unterhaltung: Hier strebt der WDR eine gemeinschaftliche ARD-Unterhaltungsredaktion an. Wie notwendig hier eine „klare Steuerung“ sei, zeigten „das öffentliche Gerangel und die Widersprüche“ um die Nachfolge von Harald Schmidt bei „Verstehen Sie Spaß?“: Hier seien „mindestens vier Akteure mehr oder weniger aktiv“ gewesen.

Für die Primetime wollen die Intendanten nach dem Zwölf- Punkte-Papier tatsächlich einige Neuerungen diskutieren. Die Palette reicht von der „Entwicklung einer wöchentlichen Infosendung für den Hauptabend, die sich an Mehrheiten richtet“ über eine wöchentliche Gesprächssendung am Sonntagabend bis hin zu neuen Unterhaltungsformaten für den Freitagabend. „Wechselnde regionale Farbe“ wird angestrebt, die Windrose läßt grüßen.

Auch für die Sportberichterstattung will und muß man sich etwas einfallen lassen – vor allem, falls es zusammen mit ZDF und RTL gelingt, Sat.1 wieder die Erstrechte für die Fußball-Bundesliga abzunehmen. Der WDR möchte Formate sehen, die über bloße Berichterstattung hinausgehen, „etwa in Form einer Sportshow mit Fußballprominenz à la Spiel ohne Grenzen“.

Während die ARD-Intendanten angesichts der Aussicht, die Quote wieder mit fußballbegeisterten Massen aufzufüllen, hier wohl an einem Strang ziehen werden, dürfte es woanders Krach geben: Der WDR – wir erinnern uns: von Biedenkopf und Stoiber schon als „Konzernzentrale“ der ARD gebrandmarkt – möchte den Aufbau eines „Entwicklungscenters für massenattraktive Formate im Ersten Programm initiieren“ – und auch gleich bei sich selber ansiedeln. Begründung: Hier lägen schon Erfahrungen vor. Diese auch „task force“ genannte Institution soll dafür sorgen, daß die ARD „eigene, authentische Formate entwickelt, die zum angestrebten Profil passen“, und sie testen.

Hinter dem Vorschlag steht die Unzufriedenheit des WDR damit, daß nicht zuletzt sein Drittes Programm als „Experimentierstrecke“ für das Erste genutzt werde. Die Verlagerung von kompletten Sendungen wie ZAK und „Schmidteinander“ dorthin, so wird beklagt, habe „Lücken hinterlassen, die nicht wieder geschlossen wurden“. Motto: Erstes und Drittes sollen komplementär bleiben, mit unterschiedlichen Zielgruppen. Michael Rediske