Die Flaggen gehen in Flammen auf

■ Maurice Béjart choreographierte seine Friedensvision an der Staatsoper

„Asien, Asien, du wundersames Land der Märchen!“ So beginnt Ravels Liederzyklus „Shéhérezade“, und so singt es, entspannt auf der Bühne der Staatsoper sitzend, die Sängerin Katharina Kammerloher. Doch was man sonst zu sehen bekommt, hat mit exotischen Phantasmagorien wenig zu tun. Mit dem Ballett „Apropos Scheherezade“, uraufgeführt am letzten Samstag, hat Altmeister Maurice Béjart keine schwülstige Märchenstunde auf die Bretter gezaubert.

In drei Akten, der erste zu der Musik Ravels, der zweite zu traditionell iranischer Musik und der dritte zu Nikolai Rimski-Korsakows „Scheherezade“, reflektiert er über die Unmöglichkeiten und die Möglichkeiten des Erzählens, über Krieg und Frieden, Frauen und Männer, Morgenland und das Abendland. Das ist zugegebenermaßen ein bißchen viel für einen Ballettabend. Vielleicht wurde Herr Béjart vom Premierenpublikum deswegen auch ganz fürchterlich ausgebuht. Dabei kann man „Apropos Scheherezade“ mit seinen vielfach ironischen Brechungen durchaus einiges abgewinnen.

Da singt Frau Kammerloher, im großen Korbsessel lehnend, vom Wunderland Orient, doch die Bühne ist vollgestellt mit flimmernden Bildschirmen und hektischen Herren in grauen Anzügen. Scheherezade, in schlichtes Weiß gekleidet, ist nur noch ein Teppich geblieben. Auf dem kugelt sie als männlich-weibliches Doppelwesen in Gestalt von Bettina Thiel und Ralf Stengel herum und bekommt statt der Wunderlampe von den grauen Herren einen Ghettoblaster angeboten.

Doch schließlich verirrt sich tatsächlich ein Muselman (Raimondo Rebeck) auf die Bühne, ein Mann mit Zauberflöte, von der Sängerin herbeigesungen. Das hätte sie lieber bleiben lassen sollen, denn kaum ist das dritte Lied verklungen, wird sie durch die von ihr heraufbeschworene Gestalt heimtückisch dahingemeuchelt. So kann's gehen. Asien gehört die Zukunft, steht im Programmheft. Jetzt also Tod der Sängerin, gellender Schrei, irres Gelächter und Bühne frei für einen wunderschönen Pas de deux von Steffi Scherzer und Oliver Matz, für iranische Musik und konzentrierten Tanz.

Steffi Scherzer spinnt als „Rose“ auf geheimnisvolle Weise die Fäden der Geschichte, die zunehmend komplizierter wird. Durch den zweiten Akt torkelt der Begleiter der Sängerin. Den Tropendreß eines vornehmen Engländers der zwanziger Jahre nur noch in Fetzen am Körper hängend, bricht er schließlich beim Anblick von bewaffneten Frauen im Tschador tot zusammen.

Die Islamische Revolution wird herbeizitiert (was merkwürdig unkritisch anmutet). Mit Stacheldraht versehene spanische Reiter werden über die Bühne geschoben. Israelis, Araber, Chinesen, Japaner und Russen, im Kriegspiel friedlich vereint, lassen ihre Flaggen in Flammen aufgehen. Nicht anders verfährt man mit einem lächelnden buddhistischen Mönch. Das alles hat mit der großen Leere zu tun, von der wir Westler nichts verstehen.

Maurice Béjart bringt seine Friedensvision auf die Bühne. Mag man dem Geschehen auch mit gemischten Gefühlen zusehen: Mit einfachsten Mitteln gelingt dem Choreographen eine beeindruckend irreale, absurde und ironische Szenerie. Am Ende hat er eben doch ein Märchen erzählt. Michaela Schlagenwerth

Wieder morgen, 19.30 Uhr, Staatsoper, Unter den Linden, Mitte