Wider das Gekungel

■ Der Vizedirektor der Schlösser und Gärten, Börsch-Supan, hatte unermüdlich quergeschossen. Jetzt ist er im Ruhestand.

Dieses Datum haben sich wahrscheinlich einige rot angestrichen. Am 1. Juli ist Helmut Börsch- Supan, seit 1974 stellvertretender Direktor der Berliner Schlösser und Gärten, mit 62 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand getreten. Endlich.

Nein, leicht hat es der gebürtige Kölner seinem Dienstherrn, dem Kultursenator, nicht gemacht. Mit seinem Hang zu unbequemen Wahrheiten muß er ihm manchmal sogar ziemlich auf die Nerven gefallen sein. In einer Zeit, in der das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft immer inniger wird, in der Politiker für Kultur nur dann zahlen, wenn ihnen im Gegenzug Sonderrechte eingeräumt werden, wirkte Börsch-Supan als Sand im Getriebe.

Als vor drei Jahren die Berliner Olympia-Bewerbung gerade in vollem Gange war und Berlin die Mitglieder des IOC zum Festschmaus vor den spätantiken Pergamonaltar eingeladen hatte, war Börsch-Supan der einzige der Berliner Museumsdirektoren, der protestierte. Anstatt sich als die großen Herren aufzuspielen, sollten die Stadtväter, so der streitbare Fachmann, ihre Bemühungen lieber darauf richten, den türkischen Landsleuten zu erklären, warum sich dieses Zeugnis ihrer Vergangenheit ausgerechnet in Berlin befinde.

Als im vergangenen Jahr das Land Berlin mit dem Bund über dessen finanzielle Beteiligung an der neuen Stiftung Berlin-Brandenburgischer Schlösser und Gärten verhandelte und die Bonner nur unter der Bedingung Geld lockermachen wollten, daß sie sich dort im geschlossenen Kreis tummeln dürften, sprach sich Börsch- Supan strikt gegen eine Nutzung der Schlösser für repräsentative Zwecke aus. Damit macht man sich keine Freunde im Berliner Kulturbetrieb.

Dabei ist Börsch-Supans fachliche Qualifikation unbestritten. Der Kunsthistoriker aus Passion gilt als Spezialist für das Werk des Romantikers Caspar David Friedrich. Die Berliner Kunst- und Architekturgeschichte kennt kaum einer besser als er. Der Reclam- Kunstführer Berlin, den der Honorarprofessor gemeinsam mit seiner Frau, der Kunsthistorikerin Eva Börsch-Supan, verfaßt hat, ist ohne Zweifel der beste, den es für diese Stadt gibt.

Darüber hinaus war Helmut Börsch-Supan maßgeblich am Aufbau der Kunstsammlung des Charlottenburger Schlosses beteiligt und half durch seinen Sachverstand so manches kostbare Gemälde günstig zu erwerben. Beispielsweise besitzt Berlin durch sein Betreiben zwei kleine Landschaften von Caspar David Friedrich.

Und er hat schon immer über den eigenen Tellerrand geguckt. Die Schwierigkeiten, die ehemaligen Hohenzollern-Schlösser zu verwalten, waren ihm nur allzu bewußt. Er wollte die Orte erhalten, aber nicht den Geist der dazugehörigen Epoche. In den mehr als dreißig Jahren, die er als Konservator der Schlösser und Gärten arbeitete, hat er sich stets gegen die Nostalgiker gewehrt, die im Charlottenburger Schloß lediglich eine Kulisse für öffentliche Auftritte sahen.

Deshalb stärkte Börsch-Supan die schloßeigene Kunstsammlung; deshalb wandte er sich vehement dagegen, Bilder aus dieser Sammlung in die neugeschaffene Galerie der Romantik zu geben. Dadurch, so Börsch-Supan, degradiere man das Schloß über kurz oder lang zu einer Wallfahrtsstätte für verhinderte Monarchisten. Zuhören wollte ihm damals keiner, und seine Gegner schnitzten eine weitere Kerbe ins Holz.

Auch hatte er sich seit langem gegen die gängige Ausleihpraxis der Museen eingesetzt. Daß die Gemälde und Skulpturen durch die vielen Wanderausstellungen schwer kalkulierbare Schäden nehmen, ist längst bekannt. Nur offen zu sagen traut sich das keiner. Börsch-Supan hat die Rolle als unbestechlicher Mahner bis zuletzt ausgefüllt. Nun ist der Störenfried fort. Ulrich Clewing