■ Zur Erweiterung der palästinensischen Autonomie
: Selbstverwaltung brotloser Inseln

Mit Gesichtern, die verdrießlicher kaum sein konnten, verkündeten Jassir Arafat und Schimon Peres, daß sie sich darauf geeinigt hätten, sich bis zum 25. Juli zu einigen. Arafat, der sonst auch den Unwilligsten herzt, und Peres, der von einer „Freihandelszone Nahost“ schwärmt, während die Olivenbäume verdorren, blickten starr und müde in die Kameras. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß den beiden Friedensstiftern bewußt ist: Die Arbeit, die sie hinter sich gelassen haben, ist nichts, gemessen an der, die vor ihnen liegt. Der sich nun andeutende Kompromiß schließt den Rückzug der israelischen Truppen aus den meisten palästinensischen Städten der Westbank ein. Wie Inseln werden dann die palästinensischen Ballungszentren in einer von israelischen Militärs kontrollierten Region existieren. Ein Blick auf das seit gut einem Jahr autonome Ballungszentrum Gaza-Streifen läßt die künftige Entwicklung erahnen. Weil das Autonomiegebiet, aus dem bis zur „Unabhängigkeit“ täglich Tausende Arbeiter nach Israel pendelten, heute besser abgeriegelt ist als zu Zeiten der Intifada, verslumt es zusehends. Wer Arafats Regierungssitz Gaza-Stadt besucht, wähnt sich im Armenviertel einer Metropole der Dritten Welt.

Die demnächst vielleicht autonomen Westbank- Städte sind zwar wirtschaftlich nicht so von Israel abhängig wie Gaza, wohl aber von dem sie umgebenden Agrarland, und das bleibt nach derzeitiger Planung unter israelischer Kontrolle. Bauern und Händler, die die für die Städte überlebenswichtigen Lebensmittel, Rohstoffe und Güter transportieren wollen, werden eine Unmenge von Checkpoints passieren müssen – einen palästinensischen, einen israelischen, einen palästinensischen usw. Halten sich die Kontrolleure an die derzeit in der Region üblichen Gepflogenheiten, werden Gemüse, Obst und Getreide verschimmeln, ehe sie ihr Ziel erreichen. Wegesteuern und Bestechungsgelder werden den geschäftlichen Ehrgeiz bremsen. Mindestens über zwei Jahre soll sich dieser brotlose Zustand hinziehen. Erst dann soll in der letzten, im Abkommen von Oslo vorgesehenen Phase über einen endgültigen Status verhandelt werden. Darunter über den wichtigsten Knackpunkt des Konflikts: Jerusalem.

Bis dahin wird Israel versuchen, durch Siedlungsbau und Landenteignungen im arabischen Ostteil der Sadt vollendete Tatsachen zu schaffen. Nicht umsonst verlangen jetzt israelische und palästinensische Intellektuelle, den Status der Stadt bis zu diesen Verhandlungen einzufrieren. Aber die Forderung ist kaum durchsetzbar, denn in der Zwischenzeit steht in Israel der Wahlkampf für die Knesseth an – samt den voraussehbaren negativen Folgen für Verhandlungskompromisse. Vielleicht werden dann 1997 ganz andere Politiker vor die Kameras treten – mit den gleichen verkniffenen Gesichtern. Thomas Dreger