: Existenzgründerinnen-Ära
Firmengründende Frauen haben nach wie vor mit einem Wust an Handicaps zu kämpfen / Doch im Osten sind sie wesentlich erfolgreicher ■ Aus Köln Mechtild Jansen
Frauen und Geld – das Thema liegt in der Luft. Schon erscheinen vor unseren Augen die neuen Existenzgründerinnen und Chefinnen. Die Frau von heute muß sehen, wo sie bleibt. Und sie sucht die Chance zur Emanzipation. Berufliche Aufsteigerinnen haben mehr eigenes Geld denn je. Frauen werden reiche Erbinnen. Erwerbslose hoffen, sich durch den Sprung in die Selbständigkeit zu retten. Das Verhältnis der Frauen zum Geld wandelt sich. Man kommt sich näher.
Frauenfinanzberatungen und -netzwerke, Banken, Kooperationsbörsen, Gründerinneninitiativen und -zentren, Frauenmessen schießen aus dem Boden. Der Anteil von Frauen an Führungskräften bleibt zwar unter zehn Prozent. Doch die Zahl der Unternehmerinnen steigt. Mittlerweile gibt es 790.000 in Deutschland. Jede dritte Neugründung erfolgt durch eine Frau. In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der selbständigen Frauen um 23 Prozent, die der Männer nur um 3 Prozent. Vor 20 Jahren gab es 23.000 Unternehmerinnen mit mehr als zehn Beschäftigten, heute sind es 120.000. Und 43 Prozent des deutschen Aktienkapitals wird von Frauen gehalten.
Regierungsstudie ignorant
Es gibt kaum wissenschaftliche Studien über das Verhältnis von Frauen und Geld. Das Bundesministerium für Frauen und Jugend legte Ende 1994 eine erste Studie zur Förderung von Selbständigkeit von Frauen vor. Diese Studie konstatiert zwar allenthalben einen Rückstand der Frauen, hält aber diesen Zustand nicht für ein Resultat von Diskriminierung durch die Wirtschaft. Das Problem liege vielmehr in der „Person“, sprich der Dummheit der Frau, die die falsche Wahl treffe und uninformiert sei. Schwierigkeiten mache auch das „soziale Umfeld“, sprich die Verantwortung für Kinder und Männer und deren mangelndem Verständnis. Männer würde es im vergleichbaren Fall nicht minder treffen. Die Blindheit für indirekte Diskriminierung und die Profitabilität sozialer Spaltungen ist beeindruckend.
Mit 26 Prozent von 3 Millionen Selbständigen sind Frauen unterrepräsentiert. Ihr monatliches Nettoeinkommen ist deutlich geringer als bei Männern. Die Hälfte der Frauen verdient weniger als 2.000 Mark netto, bezahlt davon noch für Krankheit und Alter, und kann am Ende den Lebensunterhalt nicht allein aus eigenen Mitteln bestreiten.
In Ost und West sind Frauen gleichermaßen überproportional im Handel und bei Dienstleistungen mit den Präferenzen Mode, Körperpflege und Kosmetik (42 bis 52 Prozent) vertreten. In Handwerk, Industrie und wirtschaftsnahen Dienstleistungen sind sie mit 26 Prozent unterrepräsentiert. Sie finden sich in Branchen mit geringen Zutrittsbarrieren, aber starkem Wettbewerb und hohem Insolvenzrisiko.
Ihr wirtschaftlicher Erfolg beziehungsweise die Wachstumsgeschwindigkeit ist deutlich geringer. Männer haben im vierten Geschäftsjahr 446.000 Mark, Frauen 201.000 Mark Umsatz, in den folgenden Jahren beträgt der Umsatzzuwachs insgesamt 87 Prozent und bei Frauen 29 Prozent.
Die Gründe müssen nicht lange gesucht werden: Existenzgründerinnen haben seltener Berufs-, Fach- oder Fachhochschulabschlüsse. Sie nehmen Förder- und Informationsprogramme weniger in Anspruch. Frauen machen sich in einer für sie persönlich schwierigen Lebenssituation, zum Beispiel nach Scheidung, selbständig. Die Skepsis ihres sozialen Umfelds ist größer, die Unterstützung geringer, die Akzeptanz durch Männer erst recht. Einseitige Ausbildung oder Berufsunterbrechungen schränken die Existenzgründungsfelder weiter ein, für die Kreditbewilligung fehlt oft der hinreichende Qualifikationsnachweis. Frauen haben weniger Eigenkapital. Sie sind risikoscheuer und zögerlich im Einsatz von Geldwerten.
Die Deutsche Ausgleichsbank (DtA), Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern haben in einer Reihe eigener Untersuchungen demgegenüber keine signifikanten Abweichungen zwischen Frauen und Männern festgestellt. Was als „frauenspezifische Probleme“ firmiere, seien eher die eines bestimmten Gründertypus, meinen die etablierten Unternehmensverbände. Die übersättigte Branche, der Informationsmangel und die geringe Erstinvestition seien Ursache. Geschlechtsspezifische Unterschiede seien nicht etwa Folge geringerer Kreditbewilligung, sondern Spiegel der Präferenzen der Frauen.
Dabei wird allerhand unterschlagen: Wer erst Teilhaberin dieser herrschaftlichen Institutionen geworden ist, gehört zur trotzdem erfolgreichen Frauenelite. Gefördert werden nämlich zuvorderst der bereits etablierte Mittelstand, standortorientiert fertige Betriebe, die möglichst viele Arbeitsplätze, hohes Steueraufkommen und langfristig geldkräftige Bankkundschaft versprechen. Der Bärenanteil von Fördermitteln des Bundes und der Länder dient zum Erwerb von Produktionsanlagen und Gewerbeflächen.
Dienstleistungsbetriebe sind faktisch ausgeschlossen, da sie ein zu geringes Investitionsvolumen haben. Kurzfristige Hilfen gibt es nicht. Viele Frauen fallen vom Status quo aus durch dieses Raster hindurch. Es bleiben für sie nur das Eigenkapitalhilfeprogramm des Bundeswirtschaftsministerium im Osten, erst seit 1995 auch wieder im Westen, oder Sonderregelungen einiger Länder beziehungsweise Hilfen des Sozialfonds der Europäischen Gemeinschaft, mit denen Erwerbslosen der Start in die Selbständigkeit ermöglicht werden soll.
Auch die Studie des Familienministeriums wiederholt die Vorbehalte gegen Teilzeitunternehmerinnentum, gegen die Förderung auch bei geringem Eigenkapitalbedarf oder einer Förderung von Eigenkapital. All das verhindere Selbstbehauptung am Markt, verstoße gegen Wettbewerbsgleichheit und befördere Mitnahmeeffekte, während es um Hilfe zur Selbsthilfe und realistische Konzeptionen gehe. Sie empfiehlt die Stärkung der Motivation der qualifizierten Frauen, verstärkte Betriebsübernahme über den Weg der Mitinhaberin oder Geschäftsführerin oder Franchise-Unternehmen, frühzeitige Beratung, Seminare, Praktika und Erfahrungsaustausch.
Lichtblick im Osten
Eine gute Ausbildung hilft. Frauen werden ihren Weg machen, je erfahrener, gebildeter und alternativloser, desto mehr. Das zeigen die optimistischen und zupackenden Ost-Unternehmerinnen. Sie stellen ein Drittel der in den neuen Ländern Geförderten, ihr Anteil am bewilligten Kreditvolumen beträgt 23 Prozent. Sie sind realistischer und nehmen Hindernisse sicherer als die Männer. Unter den Pleiten machen sie nur ein Viertel aus.
In Frauen investiertes Geld ist gut angelegt. Glaubt man den wirtschaftlichen Prognosen, so wird die Dienstleistungsbranche weiterwachsen. Insbesondere höherwertige Dienstleistungen, Planen und Beraten, sind gefragt. Wenn Frauen auf Qualität und Öffnung bedacht sind, wird sich ihr Vorankommen nicht nur addieren, sondern multiplizieren.
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