Erdbeerkrieg

■ EU-Kommission zieht Pariser Regierung wegen Kumpanei mit Vandalen vor Gericht

Brüssel (taz) – Das Erdbeerkompott, das französische Bauern wiederholt an der spanischen Grenze angerührt haben, wird nun dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg serviert. Die Europäische Kommission hat gestern beschlossen, die französische Regierung vor den Euro-Kadi zu zerren. Der Vorwurf: Paris habe nichts dagegen unternommen, daß französische Landwirte einige Lastwagen mit spanischen Erdbeeren gewaltsam anhielten und die Ladung auf den Asphalt kippten.

Insgesamt dreimal, zuletzt im April, haben französische Erdbeerbauern mit solch rustikalen Methoden versucht, sich die spanische Konkurrenz vom Hals zu halten. Ein klarer Verstoß gegen die Regeln des Binnenmarktes, meinen die Schiedsrichter in Brüssel. Was der Kommission am meisten aufstößt, ist die Tatsache, daß der Matsch offensichtlich mit dem stillen Einverständnis der Regierung in Paris angerichtet wurde. Die Aktionen waren nicht nur vorher angekündigt worden, die Polizei stand bei der Ausführung auch noch tatenlos dabei und zeigte Verständnis.

Schon Ende April hatte Brüssel deshalb einen Warnbrief nach Paris gefaxt und klipp und klar gefordert, daß die Kompottköche vor französischen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden müßten. Doch der neue Staatspräsident Chirac, der die Welt gerade mit der Ankündigung neuer Atomtests erschreckt hat, traut sich nicht, gegen Erdbeerbauern vorzugehen.

Es ist nicht das erstemal, daß europäische Landwirte das Faustrecht anwenden und die Marktordnung selbst in die Hand nehmen. Ob italienische Milch den Brenner hinunterströmte oder Wein ins Mittelmeer floß, stets äußerten die Regierungen Mitgefühl mit den aufgebrachten Bauern. Und auch die Fischer hatten bisher nichts zu fürchten, wenn sie einen Fischmarkt auseinandernahmen.

Daß die Kommission nun ausgerechnet bei den Erdbeeren durchgreift, mag damit zu tun haben, daß es nicht allzu viele Erdbeerbauern gibt. Angst müssen diese trotzdem nicht haben. Der Europäische Gerichtshof kann die französische Regierung nur moralisch verurteilen. Erst wenn Paris dann immer noch nicht reagiert, kann die Kommission in einem zweiten Verfahren Strafen verhängen. Frühestens 1996. Alois Berger