RWE droht Investitionsstopp an

Stromgigant zieht die Daumenschraube bei rot-grüner NRW-Regierung an / Milliardeninvestition in Kraftwerke wird überprüft  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der Essener Energiekonzern RWE, dessen Tochterunternehmen Rheinbraun den rheinischen Braunkohletagebau betreibt, setzt die neue Koalition in Düsseldorf zunehmend unter Druck. Weil der Tagebau Garzweiler II im Koalitionspapier „de facto zur Disposition gestellt wird“, so der RWE- Sprecher Thomas Klante zur taz, überprüfe das Unternehmen nun alle mit der Landesregierung vereinbarten Investitionen „unter der Langfristperspektive der Braunkohleverstromung“. Selbst der für 1999 am Standort Frimmersdorf geplante Neubau eines 950-Megawatt-Kraftwerksblocks sei nun nicht mehr sicher.

Das 2,5-Milliarden-DM-Projekt gehört zu dem 20-Millarden-Investitionsprogramm, das Rheinbraun der Düsseldorfer Landesregierung im Gegenzug zur Genehmigung von Garzweiler II zugesagt hatte. Mit dem Geld sollte der bestehende Braunkohlekraftwerkspark durch neue, verbesserte Anlagen bis zum Jahr 2030 ersetzt werden.

Bis dahin werden auch ohne Garzweiler II pro Jahr aller Voraussicht nach rund 70 Millionen Tonnen Braunkohle aus den Tagebauen Hambach und Inden verstromt. Am Ende, so das Versprechen von RWE, werde durch die neuen Kraftwerke die spezifische C02-Emission, also die Kohlendioxidabgabe pro erzeugter Kilowattstunde Strom, um 27 Prozent sinken.

Bei den nach der Jahrtausendwende geplanten sechs neuen Kraftwerken soll nach RWE-Angaben die sogenannte Kobra- Technik eingesetzt werden. In dem großtechnisch noch nicht erprobten Verfahren wird Braunkohle in Gas umgewandelt, zunächst auf eine Gas- und dann auf eine Dampfturbine geleitet. Der Wirkungsgrad soll bei über 50 Prozent liegen. Bei den alten Kraftwerksstinker liegt er bei etwa 36 Prozent.

Nicht nur Frimersdorf, auch den Ersatz macht RWE jetzt von Garzweiler II abhängig. Ob alte durch neue Blöcke ersetzt würden, sei, so RWE-Sprecher Klante, die Frage. RWE wolle all seine Investitionsvorhaben in diesem Bereich jetzt „sehr sorgfältig überprüfen“. Spätestens im Herbst will Rheinbraun den Rahmenbetriebsplan für die gesamte 48 Quadratkilometer große Tagebaufläche Garzweiler II beantragen. Im Koalitionspapier steht zwar, daß die neue Regierung zunächst einen auf ein Drittel der Fläche beschränkten Antrag „erwarte“, aber daran wird sich Rheinbraun nach den Worten des zuständigen Rheinbraun-Vorstandsmitgliedes Dietrich Böcker nicht halten.

Wann und wie ein solcher Antrag von der neuen Regierung entschieden wird, ist ungewiß. Während SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen den Bergleuten versichert hat, der Rahmenbetriebsplan werde „wie geplant Anfang 1998“ genehmigt, gehen die Grünen davon aus, daß mit einer Entscheidung nicht mehr in dieser Legislaturperiode zu rechnen ist.

Damit stünde mindestens der bisherige Zeitplan für Garzweiler zur Disposition. RWE-Sprecher Klante: „Um im Jahr 2006 mit dem Aufschluß von Garzweiler II anfangen zu können, muß die Umsiedlung im Jahr 1997 beginnen.“ Wer das verhindere, gefährde das gesamte Projekt und damit auch das 20-Milliarden-Investitionsprogramm.

Wahrscheinlich stünde bei einem Crashkurs des Essener Stromgiganten der rot-grünen Koalition noch zusätzlich großer Ärger ins Haus. Neben den Bergleuten meldeten sich dann wohl die Beschäftigten der Anlagenbauer kritisch zu Wort, denn die Hälfte der RWE-Aufträge sollte an NRW- Hersteller gehen.

Daß der Essener Gigant mit einem Jahresumsatz von 63,3 Milliarden DM über ein gehöriges Erpressungspotential gegenüber jeder Regierung verfügt, steht außer Frage. Setzte RWE auf Totalkonfrontation, könnte die Regierung allenfalls versuchen, RWE im Telekommunikationsberech unter Gegendruck zu setzen. Der grüne Bauminister in spe, Michael Vesper, hat so etwas angedeutet — ohne das RWE zu schrecken.