Das Land Hessen aufs Abstellgleis geschoben

■ Protest gegen Streichung der ICE-Neubaustrecke Köln–Frankfurt

Frankfurt/Main (taz) – Die Empörung in Hessen ist parteiübergreifend und heftig. Weil Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) die Löcher in seinem Haushalt mit Mitteln für den Ausbau von Schienenprojekten stopfen will, gehen die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), die hessischen Sozialdemokraten, die Oppositionsparteien CDU und FDP und der hessische Verkehrsminister Lothar Klemm (SPD) auf die Barrikaden. Denn auch der ICE-Neubaustrecke Köln–Frankfurt, für die Baukosten in Höhe von insgesamt 8,9 Milliarden Mark veranschlagt wurden, droht die Streichung.

Der hessische DGB sieht das ökonomisch potenteste Bundesland der Republik gar schon im „verkehrspolitischen Abseits“. Denn die Einbindung der europäischen Finanzmetropole Frankfurt in das transeuropäische Schienenverkehrsnetz stehe dann zur Disposition. Die geplante ICE- Strecke, so auch der Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes, Volker Fasbender, sei eine „Infrastrukturmaßnahme von außerordentlich hohem Stellenwert“. Sie verzahne die zwei wichtigsten Ballungsräume in Deutschland: das Rhein-Ruhr-Gebiet und das Rhein-Main-Gebiet.

Lothar Klemm trommelte zu Wochenbeginn seine Kollegen aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein- Westfalen zusammen. In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten die Verkehrsminister die Streichungen bei den Schienenbauvorhaben im allgemeinen und bei der ICE-Trasse Köln–Frankfurt im besonderen als „verkehrspolitische Fehlentscheidung erster Güte“. Deutschland werde so bei der Realisierung einer zukunftsweisenden und umweltschonenden Sicherung der Mobilität um Jahre zurückgeworfen. Denn die Trasse verbinde nicht nur die beiden Wirtschaftsräume miteinander. Mit der Trasse würden die ökonomisch potentesten Regionen in Deutschland endlich auch an das europäische Schnellbahnnetz nach Paris und London angebunden: „Nur eine schnelle Verbindung der Zentren per Bahn und eine intermodale Verknüpfung von Flugzeug, Straße und Schiene eröffnen das notwendige attraktive Angebot, von Flugzeug und Auto auf die Bahn umzusteigen.“

Die Grünen in Hessen erklärten, daß sie zum Neubau der Strecke Köln–Frankfurt stehen würden. Streichungen ausgerechnet beim Eisenbahnbau würden ohnehin nicht hingenommen. Auch in NRW wehrten sich die Bündnisgrünen lange gegen die Führung der ICE-Trasse über den Flughafen Bonn/Köln. Doch auch sie wollen das Projekt nicht grundsätzlich in Frage gestellt wissen. Ein Bauwerk der Trasse steht übrigens schon: ein 240 Meter langer Tunnel am Airport in Frankfurt. Geht es nach Waigel, wird daraus ein neuer Rave-Tempel für die Techno-Szene. Klaus-Peter Klingelschmitt