Haushaltsloch geflickt

Theo Waigel konsolidiert den Haushalt auf Kosten der Bahnreform und der Arbeitslosenhilfe  ■ Aus Bonn Hans Monath

Zuerst die gute Nachricht: Der Bund will 1996 erstmals seit Anfang der 50er Jahre weniger Geld ausgeben als im Vorjahr (1,3 Prozent weniger als 1995). Die schlechte Nachricht: Finanzminister Theo Waigel (CSU) spart deshalb vor allem im Sozialbereich und hat in seinem gestern vom Kabinett gebilligten Haushaltsentwurf auch Mittel gestrichen, die für die zweite Stufe der Bahnreform benötigt werden.

Dem Finanzminister ist mit dem Etatentwurf ein Ansatz zur Haushaltskonsolidierung gelungen: Trotz der Karlsruher Urteile zum Kohlepfennig und zum Familienlastenausgleich, die den Bund Einnahmen in Milliardenhöhe kosten, macht Waigel sich an die Verwirklichung des Versprechens, die Staatsquote (gegenwärtig rund 50 Prozent) in den kommenden Jahren auf ein erträgliches Niveau zu senken.

Um den sozialen Frieden scheint sich das Kabinett dabei allerdings weniger zu sorgen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) drohte gestern mit einem Ausstieg aus den Kanzlergesprächen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, falls die Bundesregierung an ihren Plänen zur Kürzung der Leistungen für Arbeitslose festhalte. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer kündigte in der Bild-Zeitung an, der DGB werde jeden Einfluß nutzen, um diese Sparpläne im Reißwolf zu entsorgen.

Den größten Sparbetrag erhofft sich der Finanzminister nämlich von der Radikalreform der Arbeitslosenhilfe (3,4 Milliarden), die bislang aus dem Etat von Arbeitsminister Norbert Blüm bezahlt wurde. Die „originäre Arbeitslosenhilfe“, die solchen Bedürftigen bezahlt wird, die zuvor keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben haben, wird gänzlich gestrichen. Und auch Fahrgeld für Schwerbehinderte will der Bund den öffentlichen Verkehrsunternehmen nicht mehr erstatten.

Nicht nur die Oppositionsparteien SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS attackierten den Entwurf, weil er jede soziale Gerechtigkeit vermissen lasse. Auch die Kommunen stellten sich quer. Sie fürchten, künftig für die Sozialhilfe derjenigen aufkommen zu müssen, die dann keine Arbeitslosenhilfe mehr erhalten. Für die Kommunen hielt Waigel gestern Trost bereit: Er glaube, daß mit „Arbeitsanreizen“ dafür gesorgt werden könne, „daß nicht jeder Betroffene Sozialhilfe in Anspruch nimmt“, erklärte er vor der Presse.

Die ursprünglichen Pläne Waigels, den Verkehrsetat um 4,4 Prozent auf 50,9 Milliarden zu kürzen, riefen den Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) auf den Plan, eine Institution, die gewöhnlich nicht als Bastion grüner Ideen gilt. Haushaltskonsolidierung dürfe nicht bei den Investitionen ansetzen, ein leistungsfähiges Verkehrswesen sei für Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar, mahnte der DIHT. Mit dem Waigel-Entwurf aber werde der „Ausbau des Eisenbahnnetzes und der Fernstraßen weitestgehend lahmgelegt“. Auch die SPD-Opposition warf sich für die Bahn ins Zeug: „Bei der umweltfreundlichen Schiene sollen 2,3 Milliarden Mark und damit mehr als ein Drittel gegenüber 1995 gekürzt werden, während der Straßenbau fast ungerupft davonkommt“, kritisierten die SPD-Abgeordneten Ingrid Matthäus-Maier und Karl Diller.

Nach dem gestern vom Kabinett verabschiedeten Entwurf soll die Finanzlücke der Bahn von 1997 an mit Hilfe des steuerlichen Subventionsabbaus im Rahmen des Jahressteuergesetzes 1996 geschlossen werden. Falls die Länder zustimmten und rund vier Milliarden Mark Subventionen abgebaut würden, so rechnete Waigel vor, blieben rund eine Milliarde Mark jährlich für die Bahn. Weitere Mittel sollen durch Privatisierung von Bahn- Liegenschaften flüssig gemacht werden.

Die jetzt vorgelegten Kürzungen im Sozialbereich müssen nicht das letzte Wort sein. Falls es in der Wirtschafts- und Währungsentwicklung zu heute nicht vorhersehbaren Belastungen komme, so Waigel, könnten in den kommenden Jahren weitere Gesetze zur Kürzung von Sozialleistungen nötig werden.