Der harte Kampf Mann gegen Mann ist hetero

■ Warum Schwule nicht Fußball spielen können, und warum Lesben Fußball spielen müssen

Diesen Juni, kurz vor dem Weltmeisterschaftsturnier in Schweden, ermahnte der DFB seine Kickerinnen, nicht bei den Eurogames, also bei einem Sportfest für Schwule und Lesben, mitzumachen, ansonsten man für internationale Einsätze nicht mehr garantieren könne. Der Verband, sowieso nicht glücklich über die Disziplin namens Frauenfußball, bangt um den guten Ruf der deutschen Kickerszene. War man schon nicht mehr das letzte Reservat des Mannes, so möchte man zumindest allerletzte Insel heterosexueller Eintracht bleiben.

Erlasse solcher Art hätte der DFB im übrigen bei seinen Spielern nicht gebraucht. Selbst Chefouter Rosa von Praunheim vermochte nicht, die Doppelmoral irgendeines prominenten Fußballspielers – öffentlich die Frau oder Freundin im Schlepptau, konspirativ aber auf Männerfang – zu offenbaren. Wird in der schwulen Szene gelegentlich gemunkelt, verbirgt sich dahinter meist der Wunsch als Vater des lüsternen Gedankens. Klinsmann ward bis vor wenigen Wochen ob seiner definitiv zur Schau getragenen Kuscheligkeit verdächtigt, doch eigentlich homo zu sein. Inzwischen ist er verheiratet, was zwar nichts bedeuten muß, aber selbst Insider sagen, daß Klinsmann vor allem so soft geworden sei, weil Matthäus erstens martialisch und zweitens doof sei.

Warum im deutschen Fußballmilieu faktisch keine Homosexuellen auftauchen und selbst akribische Sucher niemanden ausfindig machen können, ist ungeklärt. Vermutlich liegt es daran, daß hierzulande Fußball der populärste und mithin der Sport der Sieger ist – und Homosexualität eine Disziplin der Verlierer ist. Sport in der hiesigen Gesellschaft ist zuerst männlich – hier wird ein Anachronismus wie der Kampf Mann gegen Mann noch kultiviert, hier gelten Schweiß, Tränen und manchmal Blut als echte Gefühls- und Körperbeweise: So wird Männlichkeit buchstabiert – so erfahren Schwule schnell, daß das Kicken nicht ihre Tasse Tee sein kann – Idole können sie nicht abgeben.

Umgekehrt funktioniert dies bei lesbischen Frauen: Viele Sportarten wären verödet, würde man aus ihnen die homosexuellen Leistungsträgerinnen wegdenken. Für Lesben ist Sport – siehe Martina Navratilova oder Conchita Martinez – die Leiter zum höchsten Erfolg in einer Männerwelt. Ihnen fehlt es auch am Gelernten, daß Frauen nicht kämpfen – da sie sich eh nicht von dieser heterosexuellen Propaganda betroffen fühlen, scheren sie sich oft auch nicht darum. Sie können Idole werden – als Frauen.

Kein schwuler Mann wollte homosexuell werden. Denn Homosexualität heißt, die Weihen zum richtigen Mann nicht geschafft zu haben. Fußball wird bei Schwulen mit kumpelhaft-väterlicher Männlichkeit assoziiert, so daß der Sport abgelehnt wird. Die verschwitzte Homoerotik nach gelungenen Torerfolgen erscheint ihnen ungeheuerlich, wissen sie doch, daß gerade diese nichtsexuelle Nähe ihnen nicht genügen würde.

Physisch sind Homosexuelle zudem (noch?) nicht in der Lage, die beinharte Konkurrenz auf dem Wege ins Profigeschäft zu bestehen – dabei spielen sie kaum seltener in Kinder- und Jugendteams mit. Doch sind sie seelisch schon hinlänglich irritiert, wenn ihre Mannschaftskameraden am Beginn der Pubertät anfangen, für Mädchen zu schwärmen, und sie selbst diese Balz nicht verstehen. Sexistisches und dabei keineswegs nur grob gemeintes Vokabular ist im Fußballmilieu gängig: Die meisten Fußballer, die ihre Homosexualität lange vor dem Coming-out schon ahnen, wissen, daß sie ihre Neigungen besser verschwiegen leben, Berufsfußballer schon der Journaille wegen.

Schwule Männer, die dennoch vom Fußball gefangen sind und Wochenende für Wochenende sich mit kaum etwas anderem beschäftigen, weichen aus: Sie werden Schiedsrichter, Trainer oder Sportjournalisten. Die deutschen Sportredaktionen sind voller heimlicher Homos – und es soll bloß niemand wissen. Die öffentlichen Ausnahmen sind schwule Sportvereine wie Startschuß in Hamburg oder Vorspiel in Berlin.

Unwidersprochen konnte Karl- Heinz Thielen, der frühere Manager des 1. FC Köln, seinen Angestellten nach einer schwachen Vorstellung attestieren, sie hätten „echten Schwulenfußball“ gespielt. Nachgefragt, antwortete Thielen, daß dies nicht diffamierend gewesen sei, sondern nur die Weicheier in seiner Mannschaft ins Visier nehmen sollte: Heteros sind hart, Homos weich – da stimmen die Weltbilder noch.

Aber hatte Otto Rehhagel nicht recht, als er zur höchsten Maxime seiner persönlichen Spielerpsychologie die Tugend erklärte, sich früh zu binden? Daß gerade im Fußballbereich viel früher geheiratet wird als sonst in der Gesellschaft, fällt auf – scheint aber gerechtfertigt im Sinne guter Leistungsnachweise. Ein Hamburger Coach ergänzte Rehhagel: „Wenn die Spieler im Bett regelmäßig und gut versorgt sind, laufen sie nachts nicht rum und suchen was zum Bumsen.“ Schwule Männer wären genau darauf angewiesen.

Und wäre es nicht absurd, sich einen Nationalspieler vorzustellen, der sich von seinem Freund vom Training abholen läßt, ihn gar mit zur Weihnachtsfeier nimmt? Frank Rohde, einst DDR-Nationallibero, später bei HSV und Hertha, ein typischer Vertreter proletarischer Liberalität, fand auf die Frage, ob er sich einen schwulen Mannschaftskameraden vorstellen könnte, die weise Antwort: „Ist alles Gewöhnungssache. Aber was soll man dagegen haben?“ Und im Falle einer Mannschaftsfeier – dürfte der Mann seinen Liebsten mitbringen? „Warum nicht? Hauptsache, der würde was vom Fußball verstehen.“ Jan Feddersen

Siehe Reportage Seite 11