Über jeden möglichen Gebrauch hinaus

■ Vor allem assoziationsfördernd: Die Ausstellung „Welche Dinge braucht der Mensch?“ im Frankfurter Werkbund über Perspektiven des alltäglichen Konsums

Nein, das braucht man eigentlich alles nicht! Oder doch? Umziehen mit zwei Koffern und einer Apfelsinenkiste, dann stolz darauf, daß der ganze Hausstand immerhin noch mit einer einzigen Fuhre im VW-Bus mobil ist. Aber dann kamen Großvaters Schrank und Schreibtisch ins Haus, gerettet aus trüben Kellern, neue Stühle, das orthopädische Bett löste die Schaumgummimatratzen ab und und und ...

In der Ausstellung „Welche Dinge braucht der Mensch?“ erfragt der Deutsche Werkbund in Frankfurt „Hintergründe, Folgen und Perspektiven der heutigen Alltagskultur“. Und gibt darauf die Antwort, daß der Dinge, was Wunder, viel zu viele sind: angehäuft, besessen, weggeworfen und nie gebraucht. Die Ausstellungsdidaktik ist seltsam trocken und pädagogisch, wirkt aber im Selbstversuch trotzdem. Frau wird klüger, denn sie erinnert sich, und das generationsübergreifend.

Zum Beispiel an jenes konische Metallgerät, das ein Kriminaler bei der Hausdurchsuchung, in die zwei ältere Damen wegen falscher Verwandtschaft geraten waren, aus deren geräteübervollem Küchenschrank klaubte. Es handelte sich, konnte dem Manne Rat werden, um einen Kohlstrunkausdreher. Und zwischen Faszination und Grauen paradieren nun all jene Elektrogeräte im Kopf Revue, die vor 30 Jahren vorgaben, das ganze Glück der Hausfrauen zu sein, all die Entsafter, Küchenmaschinen mit Multifunktion, Waffeleisen, Allesschneider und Tischgrills mit den seltsamsten Auf- und Vorsatzteilen.

Dann kam der Streit um die Geschirrspülmaschine in der Wohngemeinschaft, der – braucht man's, darf man's? – zum Glaubenskrieg eskalierte. Und diese Läden, die heutzutage vorgeben, Designer- Geschenke zu verkaufen und doch nur postmodernen Plunder anbieten, all die Sportarten, die erfunden werden müssen, um ihr Zubehör begehrenswert zu machen. Der karge Computertest kann für Trendsetter allerdings zur ambivalenten Erfahrung werden: wenn sich nämlich – wie im Falle der Rezensentin – herausstellt, daß das eigene Konsumverhalten, gemessen am Durchschnitt der Bundesbürger, ungefähr auf dem Stand von 1955 ist und der sentimentale Mensch viel zuviel Geld für seine fette Katze ausgibt.

Im sparsam bebilderten, ausgezeichneten Katalog hat Wolfgang Pauser, Wiener Experte der Konsumkultur, ein unübertreffliches Gerät der Jetztzeit entdeckt: die elektronische, sensorgesteuerte Pfeffermühle mit Beleuchtung. Sie schlägt um Längen die heutzutage fast unvermeidliche Trommelbeleuchtung der Waschmaschinen im Vollwaschprogramm: „Das moderne Gerät ist die Verkörperung einer Versprechung, die über jeden möglichen Gebrauch hinausgeht.“ Dabei ist vom alltäglichen Irrsinn in Gestalt des sprechenden Öko-Staubsaugers mit Staubsack- Deo da noch gar nicht die Rede gewesen: „Sein höchstes Ziel ist es, das Problem der kollektiven Umweltverschmutzung zu privatisieren und mittels Scheintechnik individuell zu lösen.“ Heide Platen

Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Juli in Frankfurt/Main zu sehen und wird danach in Stuttgart, Karlsruhe, Erfurt und Saarbrücken gezeigt. Deutscher Werkbund Hessen. Katalog, Anabas Verlag, 30 bzw. 38 DM.