Frauenfreundlich investieren

In den USA legt ein Frauen-Investmentfonds Geld bei Firmen mit einer frauenfreundlichen Unternehmenspolitik an  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Lange genug, um ein paar festgemauerte Strukturen und ungeschriebene Gesetze aufzuheben. So jedenfalls dachte Linda Pei, als sie Anfang der neunziger Jahre nach zehn Jahren Auslandsaufenthalt in die USA zurückkehrte. Sie hoffte, Erfreuliches vorzufinden: Viel mehr Frauen in leitenden Managerpositionen; viel mehr weibliche Gesichter in Aufsichtsräten; viel mehr Firmengründerinnen und Unternehmen, in denen Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeitszeiten selbstverständlich sind.

Sie sah sich enttäuscht. „Wenn man bedenkt, daß Frauen mittlerweile 57 Prozent der Arbeitnehmerschaft ausmachen, dann hat sich ziemlich wenig getan“, seufzt die Fünfzigjährige. Im Freundinnenkreis wurde geklagt und gemurrt, bis dann eines Tages das Gespräch auf Südafrika und die wichtige Rolle von Aktionären in der Anti-Apartheid-Bewegung kam. Es kann etwas bewegen, wenn man Dollars fließen oder versiegen läßt, stellte die Anlageberaterin mit einem Betriebswirtschaftsdiplom der renommierten Stanford-Universität fest.

Im Oktober 1993 schritt sie zur Tat und gründete den „Women's Equity Mutual Fund“, einen Frauen-Investmentfonds mit Sitz in San Francisco. Dessen Prinzip ist ebenso lobenswert wie einfach: Der Fonds investiert das Geld von Anlegern und Anlegerinnen nur in solche Unternehmen, die frauenfreundliche Kriterien erfüllen.

Aufgenommen werden also zum Beispiel Unternehmen, die den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen aktiv fördern, Kinderbetreuung und eine familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung garantieren, Subaufträge an Unternehmen von Frauen geben und in der PR-Arbeit ein positives Frauenbild präsentieren. Wer sexistische Werbung macht oder gar für Frauen schädliche Produkte auf den Markt bringt, hat beim „Women's Equity Mutual Fund“ keine Chance – was die Betroffenen allerdings vermutlich nicht weiter stören dürfte.

Noch ist der Frauen-Investmentfonds ein relativ heimeliger Club von 400 Investorinnen. Vielleicht liegt das ja daran, daß, wer diesem Kreis beitreten will, eine Mindestsumme von 1.000 Dollar investieren muß.

Bei der Auswahl potentieller Investitionsobjekte läßt sich Linda Pei von Research-Unternehmen helfen, die mit Hilfe ausführlicher Fragebögen die Frauen(un)freundlichkeit von Firmen beurteilen. Zu einer wichtigen Informationsquelle ist auch die Zeitschrift Working Mother geworden, die jedes Jahr eine Liste von 100 Firmen veröffentlicht, die sich durch besonders gute Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten für arbeitende Mütter auszeichnen.

„Am Anfang“, erzählt Pei, „hatten die Herausgeber Mühe, von vielen Betrieben überhaupt eine Auskunft über Arbeitsbedingungen zu erhalten.“ Heute stehen PR-Manager mancher Firmen bereits Monate vor der Veröffentlichung in der Redaktion, um die Aufnahme in die Hitliste zu garantieren. Die Zeiten ändern sich halt doch.

Zu den Auserkorenen des „Women's Equity Mutual Fund“ zählen mittlerweile über 40 Firmen – darunter der Versicherungskonzern Aetna Life & Casualty, die Telefongesellschaft Bell Atlantic, das Transportunternehmen Federal Express sowie die Nahrungsmittelkette Whole Food Markets. Auch die Liste der Unternehmen, die die Kriterien nicht erfüllt haben, wächst, doch „deren Namen nennen wir nicht öffentlich“, sagt Pei diplomatisch.

Mit wachsender Besorgnis beobachtet Pei die jüngsten Beschränkungen staatlicher Förderprogramme für Frauen und ethnische Minderheiten durch den Obersten Gerichtshof sowie den Versuch einer Bürgerinitiative in Kalifornien, „affirmative action“, die bevorzugte Einstellung und Beförderung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen, bei den nächsten Wahlen per Volksentscheid ganz abzuschaffen.

Pei, selbst gebürtige Chinesin, arbeitet mit mehreren politischen Organisationen zusammen, die just dies verhindern wollen. „Aber mein Arbeitsschwerpunkt liegt im Investitionsbereich. Und wenn der Staat in der Gleichstellungspolitik immer weniger präsent ist, dann wird die Rolle von Privatunternehmen und ihren Investoren um so wichtiger, wenn es darum geht, die Förderung von Frauen und Minderheiten durchzusetzen.“

Vor diesem Hintergrund wundert sich Pei immer stärker, daß der Frauen-Investmentfonds bisher keine Nachahmerinnen gefunden hat. „Wir sind“, sagt sie eher bedauernd, „bisher einzigartig in den USA.“

Angemessene Bezahlung gehört übrigens auch zu den Kriterien der Frauenfreundlichkeit, die der „Women's Equity Mutual Fund“ für investitionswürdige Unternehmen aufgestellt hat. Selbst kann er dieses Ziel allerdings bislang nicht erfüllen: Noch ist der Frauen-Investmentfonds nicht groß genug, um seiner Direktorin überhaupt auch nur ein Gehalt auszuzahlen.