Mrozek will Aufklärung

■ Mrozek und die Militärstaatsanwaltschaft: Lügen über angebliche Krankhei

Bonn (taz) – Leicht wird es Gisbert Mrozek gestern nicht gefallen sein, vor der Bundespressekonferenz noch einmal detailliert Auskunft zu geben über die Todesumstände seiner Frau und Kollegin Natalia Aljakina. Aber der Moskauer Korrespondent der „Rufa“ will die Verantwortung für den Zwischenfall an dem Kontrollposten nahe der südrussischen Stadt Budjonnowsk auklären. Dazu benötigt der Journalist auch die Unterstützung der deutschen Öffentlichkeit, um die er gestern in Bonn warb.

Auf die Arbeit der russischen Militärstaatsanwaltschaft kann Mrozek jedenfalls nicht vertrauen. Von welchem Interesse diese Behörde gelenkt wird, weiß er spätestens seit dem 18. Juni, dem Tag nach dem Tod Natalia Aljakinas. Nach der Obduktion der Journalistin im Leichenschauhaus von Budjonnowsk nahm der Militärstaatsanwalt Mrozek beiseite, wie der gestern berichtete. Ob er denn nicht gewußt habe, daß seine Frau schwer krebskrank gewesen sei. Bei der Sektion sei ein faustgroßes Geschwür an der Gebärmutter entdeckt worden, das die Erschossene binnen kurzer Zeit unter großen Schmerzen umgebracht hätte.

Der Pathologe freilich, der der Journalist danach selbst befragte, hatte keinerlei solchen Befund gemacht. Die Lüge des Militärjuristen bestätigte Mrozeks Verdacht: Die Militärstaatsanwaltschaft sucht nicht nach der Wahrheit, sie verteidigt die „Ehre der Uniform“.

Dafür sprechen auch andere Indizien: Die Insassen des Autos, in dem Natalia Aljakina neben ihrem Nann starb, sind bislang nicht als Zeugen vernommen worden. Ermittelt wird nur gegen den verhafteten 18jährigen Wehrpflichtigen, der die beiden Schüsse aus dem schweren Bord-Maschinengewehr abgab. Und vor Abschluß der Ermittlungen verbreiten die Militärjuristen schon ihre Version, wonach der Soldat den Abzug des schon entsicherten Maschinengewehrs versehentlich beim Einstieg in die Luke mit dem Fuß betätigte.

Mrozek hegt eine andere Vermutung: „Ich halte es für wahrscheinlich, daß man auf uns schießen wollte, um uns einzuschüchtern.“ Der Tod Natalia Aljakinas war danach nicht beabsichtigt, wurde aber in Kauf genommen. Mit den Soldaten war es zu einer Auseinandersetzung gekommen, weil der von den Journalisten gemietete Wagen angeblich zu schnell auf den Kontrollposten zugefahren war. Als die Schüsse fielen, hatte der Wagen die Sperre schon passiert, war der Kofferraum schon durchsucht, waren alle Papiere kontrolliert worden.

In dem 18jährigen Wehrpflichtigen, der nun auf seinen Prozeß wartet, sieht Mrozek nur einen Sündenbock. Der Journalist will die Bedingungen ändern, die zum Tod seiner Frau führten. Dazu gehört für ihn, daß in Sondereinheiten der Armee und des Innenministeriums Wehrpflichtige unter unmenschlichen, verrohenden Bedingungen gehalten werden und seit dem Beginn des Tschetschenienkrieges systematisch gegen die Presse aufgehetzt wurden: „Das macht Journalisten potentiell an jedem Posten zu Freiwild.“

Das in Moskau nach Atalia Aljakinas Tod angeregte „Bürgertribunal“ will untersuchen, warum Innenministeriumseinheiten und Armee als unkontrollierter „Staat im Staate“ immer wieder Menschenrechtsverletzungen begehen und nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Sobald das Komitee arbeitet, so kündigte Mrozek gestern schon an, „brauchen wir Unterstützung aus Deutschland und anderen Ländern“.

Hans Monath