"Jetzt sitzen sie in der Falle"

■ Staatssekretärin Elke Plöger (Bündnis 90/DieGrünen) von der Leitstelle für Frauenpolitik des Landes Sachsen-Anhalt über die Arbeitsmarktsituation von Frauen in der ehemaligen DDR / Motto: Angehen gegen den

taz: Ostfrauen und Arbeitsmarkt – ein finsteres Thema. Was bleibt übrig, als zu jammern?

Plöger: Es bleiben Frauen mit hervorragenden Ausbildungen, mit jahrzehntelanger Praxis und der Fähigkeit, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Gute Voraussetzungen, wir müssen uns nur darauf besinnen.

Nach der Wende haben sich viele Ostfrauen auf die Freuden des Hausfrauendaseins besonnen.

Natürlich gab es Frauen, die sich von der Doppelbelastung erholen wollten, aber sie sind sehr rasch dahintergekommen, wie endgültig und aussichtslos das ist. Sie sind in eine Falle getappt. Jetzt sitzen sie drin, sind deprimiert und unglaublich schwer zu mobilisieren.

Wie wollen Sie Frauen aus der Resignation holen?

Ich versuche ihnen klarzumachen, daß sie einen Bonus haben. Anders als im Westen haben 90 Prozent mit Doppelbelastung gelebt und sind zurechtgekommen.

Weil es eine flächendeckende Kinderbetreuung gab.

Es ist nach wie vor möglich, Kinder unterzubringen – wenn frau es bezahlen kann.

Dazu braucht sie einen Job.

Da fängt es an. Wenn ich sehe, daß heute in einem Beruf, den ich selber gelernt hab – Laborantin –, fast nur noch Jungs ausgebildet werden, dann weiß ich, daß wir hier in zehn Jahren die selben Qualifikationsstrukturen haben werden wie in den alten Ländern.

Was tun gegen diesen Trend?

Müttern klarmachen, daß das, was in der DDR selbstverständlich war – kaum ein Berufsverbot für Mädchen –, eine Selbstverständlichkeit bleiben muß. Die Mädchen gehen zurück auf die Dienstleistungs-, Pflege- und Büroberufe. Diese Einfalt ist nicht zu ertragen.

Sind mal wieder die Mütter mit schuld an der Misere?

Fakt ist, daß Frauen massenhaft abqualifiziert sind und – wenn sie Arbeit haben – bestimmt nicht in ihrem alten Job. Den Frust über den Karriereknick geben sie an ihre Töchter weiter. Motto: Versuch es erst gar nicht, du wirst genauso scheitern wie ich. Früher war ich eine hochqualifizierte Kraft, jetzt bin nur noch Putze oder Hilfsarbeiterin.

Ist ihnen noch zu helfen?

Ich versuche, Leitbilder anzubieten: Frauen, die sich auf die Hinterbeine gestellt haben und aktiv geworden sind. Von den ExistenzgründerInnen in den neuen Bundesländern sind weit mehr als ein Drittel Frauen; und ein Gutteil war vorher arbeitslos.

Woher kommt das Kapital?

Noch gibt es Fördermittel vom Bund. Die Frauen selbst müssen Risikobereitschaft mitbringen, gute Sachkenntnis und das Geschick, mit Banken zu verhandeln.

Wie alt sind sie?

Die meisten sind über dreißig, aber es gibt auch über fünfzigjährige Unternehmerinnen. Nur ist die Zurückhaltung der Banken diesen Frauen gegenüber extrem groß. Wenn Frauen ein gewisses Alter haben, werden sie von Männern für nicht geschäftsfähig gehalten. Wir versuchen, sie zu beraten und ihnen auf die Beine zu helfen. Das verbessert auch die Lehrstellensituation, denn Frauen stellen eher Frauen ein.

Nicht alle wollen und können selbständig werden.

Eine andere Möglichkeit ist, über ABM und Umschulung wieder an den Start zu gehen. Gerade im ländlichen Bereich haben sich Frauen isoliert. Wir versuchen, sie in Drei-Monats-Maßnahmen wieder an Kommunikationssituationen zu gewöhnen. Mit Erfolg.

Schöne Ansätze, aber gerade den Beschäftigungsgesellschaften will die Bonner Regierung die Mittel streichen. Gespart werden soll also wieder an den Stellen, die hauptsächlich Frauen ins Arbeitsleben integrieren.

Wir werden nicht alle Frauen wieder in den Job zurückbringen, aber auch nicht alle Männer.

Männer haben es immerhin geschafft, einen Teil der industriellen Kerne der Ex-DDR zu erhalten und damit auch ihre Arbeitsplätze. Bei frauendominierten Industriezweigen wurde Tabula rasa gemacht.

Auch die industriellen Kerne waren keine Männerindustrien. Ob Elektronik oder Chemie und Maschinenbau – überall saßen Frauen. Aber sie haben sich, zum weit größeren Teil als Männer, herausdrängen lassen. Ich will, daß Frauen die gleichen Chancen haben und sich ihre Chancen erstreiten. Egal bei welchem Berufsfeld und welcher Einkommensklasse.

Ihre Leitstelle hat einen Stand auf der Top '95. Was versprechen Sie sich davon?

Wir wollen keine Wolkenkuckucksheime bauen, sondern die Situation und die Handlungsspielräume realistisch darstellen – das ermutigt. Interview: bam