Hallo Karrierefrau!

■ Auf dem Weg zur Chefetage? / Ein offener Brief von Frau zu Frau

Wenn Du so einen Job willst, ich meine, einen Schreibtisch, von dem aus Du Fäden in der Hand halten wirst, dann denke daran: Eine Frau kann heutzutage als Frau jede Position bekleiden. Die anderen müssen nur wollen. Und nun geht's los: Du wirbst um ihn, wenn Du Dich bewirbst. Vergiß das nicht. Dein künftiger Chef muß fühlen, daß Du ihn haben willst, auch wenn er Angst vor Dir hat. Er ist ja nicht auf den Kopf gefallen. Er weiß, daß der Tag kommt, an dem Du ihn von seinen Fäden abschneidest. Denn Du bist besser als er. Dafür wird er sich rächen wollen. Keine Sorge. Noch ist es nicht soweit. Und wenn es soweit ist, verfügst Du über mehr Macht als er. Zuerst einmal mußt Du aber warten. In seinem Vorzimmer. Und sein Vorzimmer ist sie. Die Sekretärin. Da mußt Du durch. Von Frau zu Frau. Daß sie seine Sekretärin ist, stimmt nicht. Sie tut nur so. Da macht sie ihm gern was vor. Und kennt Dich darin genauso gut! Ihn hat sie längst in ihrem Täschchen und muß seine Launen einstecken. Einige davon läßt sie an Dir wieder aus, der Karrierefrau. Die ist ihr zutiefst verhaßt. Denn das hätte sie auch gekonnt, wenn sie gedurft hätte. Du ziehst Dein weißes Kostüm an. Das mit dem engen Minirock und dem taillierten Jackett. Und nichts darunter! Also gut. Aber keinen Büstenhalter. Damit Du Dich von innen leise reiben kannst an Deiner weißen Rüstung. Natürlich Pumps! Bei jedem Schritt machst Du Nägel mit Köpfen. Behalte die Senkrechtstarter aus den anderen Abteilungen im Auge. Sie flirten mit Dir, um Dich zu vernichten. Flirte Du mit ihnen. Und dann laß sie so stehen. Denen geht es bloß um die männliche Diva hinter der gepolsterten Tür. Auf dem Weg dahin wollen sie alle umlegen. Dich auch. Genauso wie Du. Aber Du hast Deinen männlichen Konkurrenten als Frau etwas Bedeutungsvolles voraus. Deinen Bauch. Der ist karriereträchtig.

Nichts ist wichtiger heutzutage, als etwas aus dem Bauch heraus zu können. Genau das können Männer eben nicht. Sie haben Bier im Bauch oder heiße Luft. Aber keine Intuition. Und die fehlt an allen wesentlichen Schaltstellen des Managements. Weltweit. Weibliche Stärke. Die potente Frau. Und SIE wissen nicht, wie das geht. Daß Sich-Öffnen „zulassen“ bedeutet, das ist Männern zu hoch. Deine Chance! Bevor Du gleich zu ihm hineingehst, sage Dir noch einmal: Ob Direktor, Leiter, Präsident oder Ministerialdirigent, Dein zukünftiger Chef hat nur ein Problem – Chef zu bleiben. Er hat Deine Bewerbung gelesen. Er weiß, daß Du qualifizierter bist als jeder Mann, der vor Dir bei ihm drin war und den er noch zu sich hereinlassen wird. Das ist sein Ding. Das muß er erst mal wegstecken. Frag ihn was. Und dann lehne Dich zurück. Entspanne Dich. Laß ihn spüren, daß er gut ist. Mehr nicht. Schenke Dir jeden Kommentar. Der würde ihn nur aufhorchen lassen. Daß Du darüber soviel weißt. Das will er gar nicht wissen. Vergiß, was Du in Seminaren und Workshops gelernt hast.

Daß Du Dich auf Deine Schwerpunkte gerade ins rechte Licht setzen sollst und der Umgang mit Störfaktoren von deinem sympathischen Äußeren abhängig ist. Vergiß die methodischen Planspiele über dein ganzheitliches Engagement von Körper und Geist, über Geschlechterkonflikte und so. Du siehst hinreißend aus. Falls Du das nicht wissen solltest. Alles andere weißt Du selbst. Und treib's nicht zu toll. Daß wir uns noch erreichen können, wenn wir uns wiedersehen. Deine Privatsekretärin (nach Diktat verreist) Viola Roggenkamp