■ Press-Schlag: Absente Hoheiten
Die britische Königsfamilie, das ist bekannt, befindet sich in einem Stadium des galoppierenden Verfalls. Dennoch sollte es gewisse Grenzen geben. Daß sich die Queen und ihre mißratene Brut nicht in Wimbledon blicken lassen, wundert schon längst niemanden mehr, schließlich haben sie genug damit zu tun, die englische Boulevardpresse mit Schlagzeilen der niederen Art zu versorgen. Aber das herzogliche Ehepaar von Kent sollte sich schon ein wenig am Riemen reißen. Leute, die das ganze Jahr hindurch eine weitgehend nutzlose, aber wohlsubventionierte Existenz führen, sollten wenigstens die einzige wesentliche Aufgabe, die ihnen obliegt, gewissenhaft erfüllen. Im Falle der Kents ist dies der Besuch des Tennisturniers von Wimbledon.
Doch die Majestäten schlampen. Beim Achtelfinalmatch des Neu-Briten Greg Rusedski gegen Pete Sampras verließen sie ihre königliche Box am Centre Court gleich nach Beginn, und beim Halbfinale von Steffi Graf gegen Jana Novotna machte sich der Herzog ausgerechnet während einer der spannendsten Phasen des Matches davon, beim Stande von 6:5 für Novotna im ersten Satz. Sorry, folks. Teatime!
So geht es nicht, Mr. Kent! Es sollte schnellstens eine neue Hof-Etikette erlassen werden, daß sich Herzog und Herzogin sämtliche Viertel-, Halb- und Finalspiele im Einzel, wenn nicht gar im Doppel und Mixed, auf dem Centre Court in voller Länge anzuschauen haben. Gurkensandwiches und Teekannen können von bewährten Hoflieferanten in der Royal Box serviert werden. Läßt sich der herzogliche Absentismus dadurch immer noch nicht eindämmen, muß die Turnierleitung eingreifen und die blaublütigen Nichtsnutze einfach mit einer saftigen Geldstrafe belegen. 5.000 Dollar mindestens, wie im Falle Tarango, wegen Verlassens des Platzes, und am besten noch eine mehrjährige Sperre. Die freien Plätze könnten dann qua Gesetz an John Major und Margaret Thatcher vergeben werden. Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen