„Olé, olé, olé, Negro!“

■ Lateinamerikanische Vereine haben in der vergangenen Saison den afrikanischen Fußball-Legionär für sich entdeckt

Berlin (taz) – Immer wenn Alfonso Tchami in dieser Saison in „La Bonbanera“, dem Stadion der Boca Juniors Buenos Aires, auflief, waren die Fans außer sich vor Begeisterung. Der 24jährige Stürmer aus Kamerun bekam sogar einen Schlachtruf zu hören, den die Anhänger des argentinischen Meisterklubs eigentlich ihrem größten Helden aller Zeiten zugedacht hatten: Diego Maradona. Doch nicht Diego war diesmal zu feiern, sondern: „Olé, olé, olé, Negro!“ Dabei war man zu Saisonbeginn noch skeptisch gewesen, als gerade ein Schwarzafrikaner verpflichtet wurde. Das hatte es in Argentinien vorher noch nicht gegeben. Außerdem hatte der für seine Fehleinkäufe berüchtigte Boca-Vorstand immerhin 1,7 Millionen Dollar überwiesen, und das auch noch an Odense BK, einen Klub in der für drittklassig gehaltenen dänischen Liga. Doch Tchami schoß nicht nur gleich im ersten Spiel zwei Tore, er wurde im weiteren Saisonverlauf sogar zum unumstrittenen Star der argentinischen Liga. Damit löste Tchami einen Run auf afrikanische Spieler aus, der inzwischen ganz Lateinamerika erfaßt zu haben scheint.

Ein anderer, der ebenfalls dazu beitrug, war Thomas N'Kono, das 39jährige Torwart-Denkmal aus Kamerun, der 1988 beim UEFA- Cup-Sieg von Bayer Leverkusen im Tor des Finalgegners Español Barcelona stand. Er landete bei Bolivar La Paz in der bolivianischen Liga, wo auch der Nigerianer Festus Agu einen Klub fand. In Mexiko wurde Francois Oman Biyik, einer von Kameruns WM- Helden 1990, vor allem aufgrund seiner Kopfballstärke mit 29 Treffern Torschützenkönig. Der 29jährige, der von RC Lens in Frankreich zum Club America nach Mexico City gewechselt war, sicherte sich sogar einen mexikanischen Rekord, als er in zehn Spielen in Folge traf. Assistiert wurde ihm dabei von Kalusha Bwalya, dem Kapitän der sambischen Nationalmannschaft, der vom PSV Eindhoven gekommen war und auch noch 15 Tore schoß. Dritter Afrikaner beim populärsten mexikanischen Klub war der Verteidiger Jean- Claude Pagal. Für das schwarzafrikanische Trio reichte es aber nicht zur Meisterschaft, den sicherte sich Ortsrivale Necaxa, nicht zuletzt durch die überragenden Leistungen des beim Hamburger SV geschaßten Sergio Zaraté.

Auch wenn bei der Copa America, die momentan in Uruguay stattfindet, neue einheimische Helden gemacht werden, im Mittelpunkt der letzten Saison in fast allen lateinamerikanischen Ligen standen die Erfolge afrikanischer Spieler. Nun wollen nicht nur andere Klubs in Argentinien, Bolivien und Mexiko, sondern auch chilenische und kolumbianische Vereine ihren Afrikaner, um den Abgang der einheimischen Stars nach Europa zu kompensieren. Alphonso Tchami in Buenos Aires wird es freuen, nicht länger der einzige afrikanische Profi am Rio de la Plata zu sein. Denn Privatleben war für ihn in einer Stadt mit nur wenigen Schwarzen kaum möglich. Die übergroße Aufmerksamkeit kann er in der nächsten Saison möglicherweise brüderlich teilen, denn Boca Juniors haben seinem jüngeren Bruder, dem 21jährigen Bernard, ebenfalls einen Vertrag angeboten. Christoph Biermann