■ Der Sieg über Shell zeigt die Krise der Umweltbewegung
: Wer rettet die Flußauen?

„Noch einen solchen Sieg, und wir sind verloren“, sagte der König von Epirus nach einer siegreichen, aber allzu teuer erkauften Schlacht gegen die Römer. Vielleicht muß, wie einst König Pyrrhus, auch die Umweltbewegung für ihren Sieg über den übermächtig erscheinenden Gegner Shell teuer zahlen.

Gut, Greenpeace hat erreicht, daß der riesige Ölkonzern eingeknickt ist und die Ölplattform Brent Spar nicht versenkt hat. Und mit einigem Glück wird künftig das Versenken von Bohrinseln tatsächlich verboten sein. Wir aber werden uns nach dem Ausfüllen des Schecks für die heroischen UmweltschützerInnen wahrscheinlich zurücklehnen und weitermachen, weiter die Umwelt versauen – wie bisher.

Einige MitstreiterInnen von Umweltbänden, etwa der Sprecher des Naturschutzbundes (Nabu), Michael Schroeren, freuen sich: Die Kampagne gegen die Versenkung der Brent Spar sei als Erfolgserlebnis von unschätzbarem Wert. Immerhin habe sie den BürgerInnen gezeigt, daß sie gegenüber Staat und Kapital mitnichten so machtlos sind, wie viele geglaubt haben. Engagement lohnt sich, unterstützt die Organisationen, die solche Arbeit täglich machen – das ist die Message, die die Greenpeace-Kampagne ausstrahle. Das hofft jedenfalls Schroeren.

Wenn er sich da mal nicht täuscht. Der schnelle Erfolg gegen Shell könnte sich rächen. Kein schmerzhafter Verzicht, kein mühsames, arbeitsreiches Engagement nach Feierabend, keine Bedrohung durch Polizeiknüppel – und trotzdem ein gewaltiger Erfolg, der sich, um das Ganze noch angenehmer zu machen, schon binnen einiger Tage einstellte. Im Vergleich dazu erscheinen nun andere Kampagnen, sei es für den Einsatz von Solarenergie oder die Rettung der Flußauen, noch viel mühseliger als ohnehin schon. Ob wir uns dazu aufraffen können?

Organisationen, die ihr Fußvolk nur noch motivieren können mit immer spektakuläreren Kampfeinsätzen, mit immer größerem Materialaufwand und der Bereitschaft von Menschen, ihr Leben zu riskieren, diese Organisationen werden es immer schwerer haben, Unterstützung zu finden für den alltäglichen, fernsehuntauglichen Kampf um nachhaltige Verbesserungen der Umweltsituation.

Unterstützung erhalten sie bestenfalls noch in Form von Geld und dies auch nur mit immer größerem Aufwand. Wir zahlen und lassen die Profis machen. (Allerdings nicht ohne uns gelegentlich über eben diese unromatische Professionalisierung zu beklagen.) Aber neben der Gewissensentlastung soll, bitte schön, auch Unterhaltung dabei herausspringen. Ablaßhandel statt Umweltengagement.

Wo die Angst um den Job grassiert, wo die Gewöhnung an sterbende Wälder längst eingezogen und die Klimakatastrophe eine abstrakte Berechnung ist, da wird es schwerer, sich für etwas aktiv einzusetzen, von dem man meist keinen unmittelbaren Nutzen hat, sondern wodurch man einen künftigen Schaden abzuwenden sucht. Und wie könnte man auch auf die Schnelle beispielsweise den Bundesverkehrswegeplan mit all seinen gigantischen Straßenbauprojekten kippen? Das Bundesministerium für Verkehr kann man leider nicht boykottieren, und aufs Autofahren zu verzichten, ist erstens unangenehm, und zweitens sind die Vorteile nicht unmittelbar spürbar.

Natürlich ist für viele, wenn nicht die meisten, eine Rückkehr in den Zustand der umweltpolitischen Unschuld nicht mehr möglich. Da tut es gut, wenn man ein bißchen Abfall trennen darf und sich gelegentlich einem Boykott anschließen kann. Es tut umso besser, wenn nicht nur das – meist schlechte – Gewissen angesprochen wird, sondern auch das Gefühl. Nach den Seehundbabys mit ihren süßen Knopfaugen steht jetzt der klare Kampf von Gut gegen Böse hoch im Kurs. Wann hat man schon solche Klarheiten im Leben? Wo doch sonst alles so kompliziert ist und allzu oft die Bösen wir selber sind, wie etwa im Fall des Ozonsmogs oder des globalen Treibhauses.

Mit dem überraschend gewaltigen Echo auf die Kampagne gegen die Versenkung der Brent Spar schien sich selbst ein guter Teil der GreenpeacelerInnen ein klein wenig unwohl zu fühlen. Es ist nicht so sehr der nur halb verdaute Schreck, daß man auf einmal die bisherigen GegnerInnen aus den Regierungsparteien und den Reihen der Autofans im eigenen Lager wiederfand.

„Es ist schon ein komisches Gefühl, daß ein Symbol solche Emotionen erweckt, die eigentlichen Probleme aber nicht“, grübelt Greenpeace-Sprecher Jochen Vorfelder. Aber, setzt er hinzu, „wir sind eben gezwungen, diesen Spagat zu machen zwischen Realpolitik und Symbolik.“ Gezwungen vom actiongeilen Publikum, auf das Greenpeace nun mal als UnterstützerInnen angewiesen ist. „Zwei Brent Spars im Jahr, und wir hätten genug in der Kasse für vernünftige Arbeit.“ Vernünftig, damit meint Vorfelder zum Beispiel die Studie über die ökologische Steuerreform, die Greenpeace bei dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag gab. Finanzierbar nur, weil Greenpeace solche Sachen eher nebenher macht, eben neben den publicity- und damit geldträchtigen Aktionen.

Dabei handelt Greenpeace natürlich von der Warte einer Umweltorganisation aus genau richtig. Symbole bieten tatsächlich Orientierung in der unübersichtlich gewordenen Umweltauseinandersetzung und schmieden breiteste Koalitionen für ein gemeinsames Ziel. Die in Sachen Brent Spar zu Umweltschützern konvertierten Politiker wie Theo Waigel und Günter Rexrodt müssen sich gefallen lassen, daß man sie künftig beim Wort nimmt. Nur: gerade das muß denn auch beim nächsten umweltpolitischen Skandal jemand tun – und zwar auch, wenn es sich um eine weniger spektakuläre und symbolträchtige, dafür aber umso entscheidendere Frage handelt wie die Ökosteuern, die Waigel und Rexrodt gemeinsam blockieren.

Inzwischen haben Umweltorganisationen wie der BUND ein Problem, wenn sie nicht einen Gutteil ihrer Ressourcen für symbolische Spektakel verwenden, sondern für lokale Basisgruppen sowie hochkompetente Fachleute, die in den Regierungen auf allen föderalen Ebenen Gehör finden. Die einzige Zukunft, die die Umweltbewegung noch hat, dürfte darin liegen, sich wie Greenpeace auf gewinnbare Kämpfe mit breiter Publikumswirkung zu konzentrieren.

„Unsere Themen müssen stärker zuspitzbar sein“, glaubt denn auch Nabu-Sprecher Michael Schroeren. „Wir müssen den Leuten das Gefühl geben, daß sie was tun können, und wir müssen deutlicher machen, wo Gut und Böse sind.“ Recht hat er. Und wo das nicht möglich ist – also bei den meisten Umweltthemen? Nicola Liebert