Strahlender Chirac in Quarantäne

■ Britische und russische Abgeordnete protestieren gegen Atomversuche – doch Bonn schweigt

Berlin (AFP/dpa/taz) – Es wird einsam und still, wenn französische Regierungsvertreter auf internationalen Konferenzen auftreten. Beim Treffen der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Ottawa haben Abgeordnete aus Großbritannien, Rußland, Dänemark, Norwegen, Schweden und Italien jetzt gegen die von Frankreich im Südpazifik geplanten Atomtests protestiert. Frankreich wurde aufgefordert, seine Entscheidung zurückzunehmen.

Dany Cohn-Bendit, in Frankreich aufgewachsener bündnisgrüner Europaabgeordneter, kommentiert die geplanten Tests in der taz: „Die Franzosen haben eine Macke. Sie glauben, daß sie nur die Atomwaffen davor schützen, noch einmal von einer fremden Armee überrollt zu werden.“

Nach einer Umfrage des Forsa-Instituts sind 95 Prozent aller Deutschen gegen die Tests. Die Bundesregierung soll den französischen Präsidenten Jacques Chirac von der Unsinnigkeit der Versuche überzeugen, meinen die Bürgerinnen und Bürger. Die Hälfte der Befragten würden auch zu einem Boykott französischer Waren greifen. Das Auswärtige Amt bestätigte gestern noch einmal die zurückhaltende Politik der Bundesregierung gegenüber Frankreich in dieser Frage. Frankreichs Präsident Jacques Chirac hatte Mitte Juni angekündigt, ab September rund um das Mururoa-Atoll im Südpazifik eine neue Serie von acht Atomwaffentests anlaufen zu lassen.

Unterdessen versuchten Mitglieder der Umweltschutzorganisation Greenpeace an Bord der Rainbow Warrior II, mit dem französischen Kriegsschiff Kontakt aufzunehmen, von dem sie beschattet werden. Die mit Kanonen und Raketen bewaffnete Fregatte Dumont D'Urville folge dem Greenpeace-Schiff in einem Abstand von zwölf Seemeilen, so ein Greenpeace- Sprecher. Die französische Marine hat die Erlaubnis, auf jedes Schiff zu schießen, das in die Zwölfmeilenzone um das Muroroa- Atoll einfährt.

Greenpeace hatte aus Protest gegen die Wiederaufnahme der Atomtests die Rainbow Warrior II zum Mururoa-Atoll geschickt, wo es heute eintreffen soll. Das Vorgängerschiff, die erste Rainbow Warrior, war vor fast genau zehn Jahren – am 10. Juli 1985 – vom französischen Geheimdienst versenkt worden. ten

Interview und Reportage auf Seite 8