Die neue Freiheit: Krepp/Crêpe

■ LehrerInnen kritisieren Rechtschreibreform: halbherzig. Ab '97 schreiben ABC-Schützen „Fluss“ statt „Fluß“, zögern aber weiterhin bei „Fuß“.

Nein, die „Katastrofe“, daß die „Phiolosophie“ künftig als banale „Filosofie“ daherkommt, die wird es nicht geben. Schade eigentlich, finden viele Bremer LehrerInnen. Ihnen geht die geplante Rechtschreibreform nicht weit genug. Das ist jedenfalls der Eindruck von Ursula Helmke, die beim Bremer Bildungssenator für die Umsetzung der Rechtschreibreform zuständig ist.

Manch Lehrerin hätte sich gefreut über eine konsequente Kleinschreibung. Doch die Bundesregierung hatte den ReformerInnen zur Bedingung gemacht, auf Akzeptanz zu achten. So fiel schon früh nicht nur die Kleinschreibung hintenüber, sondern auch, nach einem Aufschrei in den Medien, der „Keiser“ – obwohl man den in deutschen Landen durchaus schon mal so geschrieben hat.

Am 28. September werden die KultusministerInnen voraussichtlich den Reformvorschlag billigen. Danach werden in Bremen und den anderen Bundesländern in Kursen die DeutschlehrerInnen umgepolt – als MultiplikatorInnen für die übrige Lehrerschaft. Ab dem Schuljahr 97/98 wird die neue Schreibweise an den Schulen gelehrt. Bis zum Jahr 2001 gilt jedoch auch noch die alte Schreibweise und wird nicht als Fehler angestrichen.

Ab 2001 aber steht als ungebildet da, wer dann noch „rauh“ statt „rau“ schreibt. Einige Wörter bleiben immerhin in beiden Schreibweisen möglich, etwa „Restaurant“ („Restorant“) sowie „Katastrophe“ („Katastrofe“). Und auch das „Crêpe“ muß nicht unbedingt als „Krepp“ daherkommen. Schon jetzt kann man sich ein Bild von der neuen Schreibung machen: Im Gunter Narr Verlag in Tübingen ist soeben das neue Regelwerk mit Wörterliste erschienen.

„Ach“, seufzt Ursula Helmke, „das ist schon alles ziemlich halbherzig: Hätte man aus dem „Stuckateur“ nicht gleich, wie bei Frisör, einen „Stuckatör“ machen können?“ Der neue, amtlich vorgeschriebene „Stuckateur“ birgt nämlich immer noch die Fehlerquelle der französischen Endung „eur“. „Wir hätten uns eine deutlichere Reform gewünscht, allein schon deswegen, damit es sich angesichts der Kosten auch lohnt.“

Apropos Kosten: Sämtliche Schulbücher müssen erneuert werden. Derzeit wird der Bestand innerhalb von fünf bis acht Jahren einmal ausgetauscht. Doch im Moment ist geplant, daß die Übergangsphase, während der die alte und die neue Schreibweise gelten sollen, nach vier Jahren, also 2001, beendet wird. Das käme die Schulbehörde teuer zu stehen. Deswegen will Bremen in der Kultusministerkonferenz auf eine längere Übergangsphase dringen.

Eine längere Übergangsphase hätte einen weiteren Vorteil: Es könnte zu einer insgesamt toleranteren Haltung gegenüber der Rechtschreibung kommen. Vielleicht würde dann die Orthographie nicht mehr (zum Beispiel bei Bewerbungen) dermaßen als Selektionsinstrument benutzt.

Auf Dauer eine geringere Bedeutung der Rechtschreibung – das wagen LehrerInnen kaum zu hoffen. Schließlich wird mit Einführung der Reform im Schuljahr 97/98 die Rechtschreibungslehre erstmals wieder nach vielen Jahren eine sehr hohe Bedeutung bekommen im Unterricht. Denn die Sechstklässler etwa, die die alte Rechtschreibungs endlich halbwegs beherrschen – bis zur Schiffracht und der Schifffahrt, dem Rhythmus und dem Rhinozeros – müssen erneut Regeln pauken. Damit die Rechtschreibung nicht die Kreativität und das Artikulationsverlangen erschlägt, damit im Deutschunterricht nicht das Geschichtenschreiben wegen Diktaten unter den Tisch fällt, sollen die anderen Fächer mithelfen beim Erlernen der neuen Regeln.

cis