„Der Kongreß muß entscheiden“

■ Ruth Macklin, Bioethikerin an der Albert-Einstein-Universität in New York, äußert sich zu der Arbeit im Untersuchungsausschuß

taz: Nach welchen Kriterien beurteilt das Advisory Committee die Jahrzehnte zurückliegenden Experimente?

Ruth Macklin: Es gab nichts, was bereits niedergeschrieben war, die Kriterien mußte das Komitee erst einmal entwickeln. Und selbst heute noch, kurz vor Abschluß des Berichtes, sagen einige im Ausschuß: Man kann die Vergangenheit nicht mit heutigen Standards beurteilen. Wir sind also keineswegs einer Meinung. Wir haben dann die Politik und die Standards jener Zeit einer sehr genauen Untersuchung unterzogen – nicht die Praxis, denn wir wissen, daß es beispielsweise nicht allgemein üblich war, das informierte Einverständnis eines Patienten einzuholen. Was wir entdeckten war, daß es damals durchaus auf sehr hoher politischer Ebene Statements zur Frage von Standards bei der Forschung an Menschen gab. Deshalb brauchen wir uns auch nicht darauf zu beschränken, bei der Beurteilung der Vergangenheit heutige Standards zu verwenden. Wir können uns die Politik und die Aussagen anschauen, die damals gemacht wurden, und darüber urteilen, ob jemand diese Politik nicht umgesetzt hat.

Wird der Bericht zur Folge haben, daß die Menschenexperimente geahndet werden?

Das liegt nicht in der Macht des Komitees. Der Bericht an den Präsidenten wird allerdings Empfehlungen aussprechen. Dabei ist es wichtig zu wissen, daß wir nicht genügend Daten und Dokumente über bestimmte Patienten oder auch Ärzte haben, um Empfehlungen für eine gerichtliche Verfolgung auszusprechen. Aber der Bericht wird all denen zur Verfügung stehen, die gerichtlich vorgehen wollen. Und was eventuelle finanzielle Entschädigungen angeht, etwa für die Menschen, die ohne ihr Einverständnis durch die Forschung verletzt wurden, so muß der Kongreß darüber entscheiden, was angemessen ist.

Welche Empfehlungen werden Sie für die Forschung unserer Tage aussprechen?

Nachdem wir uns die gegenwärtige Forschungspolitik in den verschiedenen Behörden angeschaut haben, können wir sagen: Die ist o.k. Was nicht gut läuft, ist die Planung und Ausführung. Was auf dem Papier steht, wird nicht immer und nicht immer richtig umgesetzt. Aufgrund von Befragungen von Patienten, die zur Zeit in Forschungsprojekten mitmachen, fand das Komitee heraus, daß bei Versuchen mit mehr als dem minimalen Risiko, wie zum Beispiel bei der Chemotherapie zur Krebsbehandlung, den Patienten nicht genügend Informationen gegeben werden. Problematisch ist hier aber nicht die Forschung selbst, sondern daß den Menschen in der Einverständniserklärung nicht all das gesagt wird, was sie brauchen, um eine gescheite Entscheidung treffen zu können.