■ Nebensachen aus Ulundi
: Und keiner verhüllt Prince Mangosuthus Palast

Es gibt Fragen, bei denen sich Deutsche im Ausland irgendwie berührt fühlen. Etwa die nach dem Standort der Hauptstadt. In Südafrikas Provinz Kwa Zulu/ Natal heißt die Entscheidung: Pietermaritzburg, die alte Hauptstadt der Provinz Natal, oder Ulundi, ehemals Hauptstadt des sogenannten unabhängigen Homelands Kwa Zulu. Pietermaritzburg, 80 Kilometer landeinwärts der Hafenstadt Durban gelegen, trägt alle Züge des Charmes burischer Kleinstädte. Gemessen an Ulundi, 200 Kilometer nordwestlich von Durban in den immergrünen Hügeln von Zululand, ist es jedoch geradezu eine pulsierende Metropole.

Ulundi, per Auto nur auf einer schlechten kurvenreichen Straße erreichbar, ist kaum mehr als ein Potemkinsches Dorf. Wie fast alle ehemaligen Hauptstädte von Homelands ist es ein Kunstprodukt der Apartheidpolitik, die das Ziel hatte, die südafrikanischen schwarzen „Stämme“ in segregierten Staaten anzusiedeln. Schon von weitem sichtbar ist der Regierungspalast, in dem auch das Parlament tagt – selbstredend in der „Prince Mangosuthu Avenue“ gelegen. Wer die mühsame Autofahrt scheut, kann auch fliegen und landet dann auf dem Prince Mangosuthu International Airport ein paar Kilometer außerhalb. Rund um die Regierungstrutzburg, in der einst Seine Exzellenz Prince Mangosuthu Buthelezi zu residieren pflegte, gibt es ein paar Häuser für Beamte, einen Supermarkt und ein Hotel. Ende der Hauptstadt.

Nichtsdestotrotz beharrt die Zulu-Partei Inkatha darauf, Ulundi zur Hauptstadt zu machen. Es sei ein wichtiger Ort in der Geschichte des Zulu-Königreiches, und außerdem werde durch die Ansiedlung der Hauptstadt dort die Infrastruktur des gesamten bäuerlichen Zulu-Landes verbessert. Dummerweise hat Inkatha zwar die Mehrheit in der Provinz, mußte aber mit dem ANC Nelson Mandelas und der Nationalen Partei eine Koalition eingehen. Ein Kabinettsbeschluß scheidet also aus, würde der ANC dem doch nie zustimmen.

Eine parlamentarische Untersuchungskommission kam auch zu keinem Ergebnis und empfahl ein Referendum. So wird es wohl kommen. Unterdessen müssen sowohl die Kabinetts- als auch die Parlamentsmitglieder ihre Mobilität unter Beweis stellen. Das Kabinett trifft sich abwechselnd in Pietermaritzburg und Ulundi, das Parlament hat eine etwas pragmatischere Lösung gewählt: Im vergangenen Jahr tagte es in Pietermaritzburg, in diesem Jahr in Ulundi. Derzeit ist der runde Plenarsaal allerdings verwaist, denn das Parlament hat sich wieder einmal eine längere Sitzungspause genehmigt. Besucher können sich trotzdem über die Vorzüge Ulundis informieren. An den Außenwänden des Saals prangen farbenfrohe handgeknüpfte Teppiche, die die Geschichte der Zulu-Könige Shaka und Cetshwayo und ihrer ruhmreichen Schlachten erzählen.

Dagegen herrscht in dem Teil des Gebäudes, in dem die Regierung sitzt oder vielmehr der Inkatha-Teil der Regierung (die ANC-Minister haben ihre Büros in Durban), rege Betriebsamkeit. Zwar ist es selbst innerhalb Südafrikas ausgesprochen schwierig, telefonisch nach Ulundi durchzukommen, denn es gibt nur wenige Telefonleitungen. Das aber sei doch wirklich leicht zu beheben, sagt ein hohes (weißes) Inkatha- Mitglied in Durban. Viel wichtiger sei der Kern des ganzen Streits, die politische Symbolik. Und appelliert an das Verständnis der deutschen Besucherin, indem er auf den verhüllten Reichstag in Berlin zu sprechen kommt. Mehrmals schon habe er am Berlin-Marathon teilgenommen, jetzt verehre er Christo, sagt er, und bewundere die Politiker wegen der genialen Werbekampagne, die sie damit für die alte deutsche Hauptstadt machen konnten. So etwas, seufzt er, kommt ja leider für Ulundi nicht in Frage. Kordula Doerfler