Arbeitnehmer zu Unternehmer?!

■ Bundesarbeitsminister Blüm will Mitarbeiterbeteiligungen durch ein neues Gesetz stärken / Gewerkschaften skeptisch

Berlin (taz) – Das Berliner Softwareunternehmen PSI hat 656 Angestellte, aber keinen Betriebsrat. Statt dessen wachen Mitarbeiter- Beiräte über Wohl und Wehe der Firma und des Personals. Die Hälfte der Angestellten sind Aktionäre von PSI. Alle MitarbeiterInnen sind an den Gewinnen – und Verlusten – der Firma beteiligt. „Das stärkt die Unternehmensbindung“, so ein Firmensprecher.

Ähnlich starke Verantwortungsgefühle der Beschäftigten für den Betrieb wünscht sich auch Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU). Mitarbeiterbeteiligungen, „das Privateigentum in den Händen vieler“ (Norbert Blüm), sollen noch in diesem Jahr durch ein neues Gesetzeswerk gefördert werden.

Der Parlamentskreis Mittelstand (PKM) der CDU tüftelt derweil an brauchbaren Vorschlägen. „Denkbar“ seien steuerliche Anreize, erklärt Herbert Lattmann, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung. So könnten etwa Lohnanteile steuerfrei bleiben, wenn sie dem Erwerb von Mitarbeiterbeteiligungen dienten.

Michael Lezius, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP), hält es für realistisch, einen Investivlohnanteil bis zu einer Höhe von 3.000 Mark jährlich mit keinem oder einem extra niedrigen Steuersatz zu belasten und solcherart zu fördern. Der Mann glaubt: „Dann wären solche Modelle auch für die Gewerkschaften interessant.“

Bisher halten nur sechs Prozent der westdeutschen ArbeitnehmerInnen Kapital an ihren Unternehmen. 1.700 Firmen beteiligen die Belegschaften am Betrieb. Rund 700 dieser Unternehmen sind organisiert in der AGP mit Hauptsitz in Kassel. Der Verlagsriese Bertelsmann beispielsweise bietet seinen MitarbeiterInnen Gewinnbeteiligungen an.

Im mittelständischen Klimaanlagenbetrieb Nordklima in niedersächsischen Oldenburg werden Leistungszulagen für die KollegInnen kurzerhand als „stille Beteiligungen“ gewährt. In Brandenburg kaufte die Belegschaft das Unternehmen Königs Wusterhausen Bau GmbH. Anschließend grübelten die TeilhaberInnen über Sinn und Unsinn ihrer eigenen tariflichen Lohnsteigerungen.

Genau deshalb sind viele GewerkschafterInnen höchst skeptisch, wenn die eigentlich linke Idee des Vermögens in Arbeitnehmerhand von liberalkonservativer Seite gefördert wird.

Mitarbeiterbeteiligungen bescherten den Beschäftigten nur „das doppelte Risiko“, meint Dieter Pienkny, Sprecher des DGB Berlin-Brandenburg. „Einmal tragen sie schon das übliche Arbeitnehmerrisiko, ihren Job zu verlieren, dazu kommt dann auch noch das Kapitalrisiko, wenn die Firma pleite geht.“ In der Diskussion sind daher Bürgschaftsmodelle, durch die das Kapitalrisiko für die ArbeitnehmerInnen gemindert wird. In Berlin, Thüringen und Sachsen beispielsweise übernimmt das Land in Ausnahmefällen Haftungen für Anteilscheine.

Vor allem in den neuen Bundesländern will Bundesarbeitsminister Blüm mehr Produktivkapital in Arbeitnehmerhand sehen. Dort könnte man die Subventionierung von Unternehmen an die verbindliche Einrichtung von Mitarbeiterbeteiligungen koppeln, erklärt Lattmann. Die Betriebe verfügten damit über mehr Eigenkapital. Die CDU-Mittelständler erhoffen sich eine größere Mitverantwortung der Belegschaften und wohl auch die Bereitschaft zur Lohnmäßigung.

Nach den Vorschlägen von Lezius von der AGP sollen die ArbeitnehmerInnen künftig wählen können, ob sie einen Teil der Lohnsteigerung direkt bekommen oder als „Investivlohn“ ins Unternehmen oder einen überbetrieblichen Anlagefond stecken wollen. Die freie Wahl zwischen Investiv- oder Barlohn ist auch den CDU-Mittelständlern oberstes Prinzip.

Die Gewerkschaften basteln an Modellen, die für die Arbeitgeber verbindlicher sind. Die IG Chemie beispielsweise sieht eine branchenspezifische Mitarbeitergesellschaft vor, die über nur einen „Tariffond“ verfügt. Die Chemie-Unternehmer müßten dann verbindlich einen – nicht ausbezahlten – Anteil der vereinbarten Lohnsteigerung einbringen und noch einen Eigen- Anteil dazu. Für solche Vereinbarungen auf der Grundlage eines (geänderten) Tarifvertragsgesetzes sieht Lezius von der AGP derzeit allerdings „wenig Chancen“. Am realistischsten bleibt eine „kleine Version“ mit steuerlichen Anreizen: „Da läßt sich am ehesten ein Konsens erzielen.“ Barbara Dribbusch