„Wir haben bei der Aktion den Kopf hinhalten müssen“

■ Erinnerungen der Agentin, die 1985 maßgeblich beteiligt war an der „Mission“

Es passiert nicht alle Tage, daß Geheimdienstleute aus der Schule plaudern, und Geschichten, die gerade mal zehn Jahre zurückliegen, werden schon gar nicht erzählt. Das gerade erschienene Buch von Dominique Prieur mit dem Titel „Agent secrète“ sollte man sich daher nicht entgehen lassen. Was die Agentin „Turenge“ über ihren Einsatz bei der Operation „Rainbow Warrior“ zu berichten hat, bestätigt, was die Presse längst berichtet hatte. Den Journalisten macht die ehemalige DGSE-Spezialistin denn auch ein paar Komplimente. Trotzdem erfährt man noch nützliche Einzelheiten, und vor allem wird die Geschichte aus der Sicht einer Agentin erzählt, die eine entscheidende Rolle bei dieser Aktion gespielt hat.

Zusammen mit Alain Mafart, ihrem (Schein-)Ehemann, war Dominique Prieur seit März 1985 für die logistische Vorbereitung der Mission zuständig. Später wurde sie dem Einsatzkommando zugeteilt. In ihren Erinnerungen wird vor allem klar, wie schlecht der Geheimdienst funktioniert hat und daß die Verantwortlichen (auch die Politiker) bei dieser Aktion mit Unverstand zu Werke gegangen sind. Das Schlimmste war für sie, wie die Folgen des Fiaskos von den Verantwortlichen im Geheimdienst und von den zuständigen Ministerien „geregelt“ wurden. Sie merkte rasch, daß ihre Vorgesetzten sie schlicht und einfach fallenließen: „Ich fand es unerträglich, wie die französische und die neuseeländische Polizei zusammenarbeiteten. Wer versorgte die Neuseeländer mit den immer genaueren Informationen, die ihnen bei den Verhören halfen? Was taten unsere Chefs? Was ging da in der ,Firma‘ vor?“ Inzwischen weiß man, daß der damalige Innenminister Pierre Joxe, mit Zustimmung von Mitterrand, die neuseeländische Polizei „wissen ließ“, daß die „geheime“ Nummer, die Dominique Prieur direkt nach ihrer Verhaftung angerufen hatte, eine Kontaktnummer des DGSE war.

Die Agenten, die sich bemühten, ihre Tarnung aufrechtzuerhalten, waren bereits abgeschrieben. Prieur hat offensichtlich recht mit ihrer Feststellung, sie habe sich als „Bauernopfer“ gefühlt. Anders ist es kaum zu verstehen, daß sie über diese Nummer, die als Notruf gedacht war, keine Hilfe bekam, daß die Kontaktperson nie zu erreichen war, daß sie nach ihrer Entlassung aus dem neuseeländischen Gefängnis nicht zu einem Informationsgespräch gebeten wurde. Wollte man ihre Kritik nicht hören? Sollte die Affäre möglichst schnell begraben werden?

Die Operation war von Anfang an eine heikle Sache: „Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl“, erklärt sie. „Wir waren überrascht, daß man eine so brutale Aktion gegen eine Organisation durchführen wollte, die pazifistisch und gewaltfrei war.“ Sie berichtet auch, und das ist eine der interessantesten Passagen des Buches, wie die Kampfschwimmer sich über die Art der beiden Sprengladungen wunderten. Auf ihre „Expertenfragen“ antworteten die Vorgesetzten: „Das ist von oben so angeordnet worden. Das Thema ist erledigt.“ Auch die beiden Einsatzleiter fanden das Vorhaben absurd und gefährlich. „Indem man nacheinander zwei Sprengladungen zündete, erhöhte man das Risiko, daß Menschen an Bord verletzt wurden.“ Der Befehl, das Schiff in die Luft zu jagen, „war eine Radikallösung, die keinen Sinn machte.“ Es hätte keine Toten geben dürfen, so Prieur.

Dominique Prieur wurde wegen Mord zu zehn Jahren und wegen der Zerstörung des Schiffes zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Schließlich wurde sie „auf zynische Weise ausgetauscht – gegen das Versprechen, neue Exportvereinbarungen über die Ausfuhr neuseeländischer Butter nach Europa zu treffen“. Nach drei Jahren im Exil (auf dem Hao-Atoll) verließ Dominique Prieur den Geheimdienst, ist aber noch beim Militär. Demnächst soll sie zum Oberstleutnant befördert werden.

Das Buch habe sie geschrieben, weil sie „diese Sache seit 1985 verdrängt“ habe und damit nun Schluß sein müsse. Trotzdem hält sie sich zurück, was den Hintergrund der Affäre angeht: die französische Atompolitik. „Für dieses Thema interessiere ich mich nicht“, hat sie kürzlich gegenüber Le Monde erklärt. „Wir haben bei der Aktion den Kopf hinhalten müssen“, schreibt sie am Schluß des Buches, „und wir waren nur Bauern in diesem Spiel.“ Zehn Jahre sind vergangen, das Spiel geht weiter. Maurice Najman

Agent Secrète, Fayard, Paris 95. 110 Francs.