Mururoa war auch am 10. Juli 1985 das Ziel eines Greenpeace-Schiffes. Agenten des französischen Geheimdienstes sprengten heute genau vor zehn Jahren im Hafen von Auckland die "Rainbow Warrior I". Der Anschlag traf Neuseeland bis ins Mark.

Mururoa war auch am 10. Juli 1985 das Ziel eines Greenpeace-Schiffes. Agenten des französischen Geheimdienstes sprengten heute genau vor zehn Jahren im Hafen von Auckland die „Rainbow Warrior I“. Der Anschlag traf Neuseeland bis ins Mark.

Mission Regenbogen

Wir fahren in ein befreundetes Land“, spricht Dominique Prieur alias Sophie Turenge sich selbst Mut zu. Gegen das mulmige Gefühl, das sie auf dem 23 Stunden langen Flug überkommt. Was kann schon passieren? Schließlich hat sie bereits unter viel heikleren Umständen „Missionen“ vollbracht. Im Kugelhagel im „Nahen Osten“ zum Beispiel war sie so erfolgreich, daß ihr Dienst sie jetzt sogar nach Neuseeland schickt.

Kalt ist es in dem winterlichen Auckland, als Prieur das Terrain erkundet. Und es regnet Bindfäden. Die französische Agentin, die mit dem Kollegen Alain Mafart – getarnt als Ehemann Alain Turenge – unterwegs ist, um das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior zu sprengen, beklagt sich bitterlich. Zehn Jahre danach, in dem Buch „Agent secrète“, das in Frankreich die Schaufenster schmückt. Nichts gefällt der Pariserin an dem Land auf der anderen Seite des Globusses. Sie findet es provinziell, kleinkariert und zu allem Übel auch noch völlig ohne sichtbare Polizei. In der Logik der Eliteagentin des französischen Spionagedienstes DGSE kann das nur Übles bedeuten: daß „die Bürger selbst Polizisten sind“.

Bei ihrer „Mission“ geht dann alles schief, was schiefgehen kann. In der Nacht des 10. Juli 1985 taucht ein voller Mond den Hafen von Auckland in helles Licht, und an den Quais stehen Angler herum. Bei dem Attentat auf das Schiff, bei dem die Regierung in Paris ausdrücklich keine Toten gewünscht hatte, tötet eine Bombe den Greenpeace-Fotografen Fernando Pereira. Das „Ehepaar“ Turenge gerät in die Fänge der neuseeländischen Polizei, und um ein Haar wären auch die weiteren mit der „Mission“ befaßten französischen Agenten aufgeflogen. Ein U-Boot der französischen Marine holt schließlich einen Teil von ihnen an einem unbekannt gebliebenen Ort in der Südpazifik ab.

Dem befreundeten Land ging der französische Angriff bis ins Mark. Eine Beamtin im Außenministerium von Wellington muß heute noch lange nachdenken, bis ihr etwas Vergleichbares einfällt. „Die japanischen U-Boote im Zweiten Weltkrieg“, sagt sie schließlich. Bloß kämpften damals über 100.000 Neuseeländer auf der Seite der Alliierten, und die Japaner waren eine feindliche Macht. Ein Bauarbeiter aus Auckland hat auch sein Urteil parat. „Die Franzosen“, erklärt er, „waren schon immer arrogant. Mit uns wollen die nichts zu tun haben.“ 1944 landete der 22jährige als „Befreier“ in der Normandie. Statt der erwarteten freudigen Begrüßung erlebte er dort vielerorts Mißtrauen.

Wochenlang hatten die Neuseeländer in jenem Winter 1985 den Kurs der Rainbow Warrior auf ihr Land verfolgt. Auf das Greenpeace-Schiff richteten sich alle ihre Hoffnungen auf einen generellen Atomteststopp, den sämtliche Regierungen des Landes – allein oder im Verbund mit anderen Pazifikstaaten – immer wieder vor die UNO und in das Militärbündnis mit den Amerikanern (Anzus) gebracht hatten. „Die Sprengung der Rainbow Warrior zeigte, daß es bei unseren Verbündeten keine Loyalität gab. Erst recht, als anschließend weder die USA noch Großbritannien Frankreich für den Anschlag verurteilen mochten“, erinnert sich das langjährige Mitglied einer Wellingtoner Abrüstungsinitiative.

Doch bei dieser einen Erniedrigung blieb es nicht. Schon wenige Monate später erlebten die Neuseeländer den nächsten Tiefschlag. Dank UNO-Vermittlung hatten die beiden zu je zehn Jahren verurteilten französischen Agenten Neuseeland bereits 1986 verlassen können. Allerdings wurden sie – ebenfalls von den Vereinten Nationen – verpflichtet, drei weitere Jahre auf der französischen Militärbasis auf dem Pazifikatoll Hao zu bleiben. Doch schon wenige Monate später waren beide zurück in Paris: Mafart hatte seine vorzeitige Heimkehr mit Bauchschmerzen erwirkt, und Prieur wurde schwanger. Der damalige Premierminister Jacques Chirac hatte sie und ihren Mann bei einem Besuch auf dem Atoll Hao augenzwinkernd aufgefordert, auf diese Art eine vorzeitig Repatriierung zu erwirken.

Die französische Wiedergutmachungszahlung in Höhe von umgerechnet 13 Millionen Mark an Neuseeland und Greenpeace, der französisch-neuseeländische Freundschaftsfonds und ein Versöhnungsbesuch von Premierminister Michel Rocard in Wellington fünf Jahre nach dem Attentat konnten die gestörten Beziehungen zwischen den beiden befreundeten Ländern nur geringfügig verbessern. Den eigentlichen Wendepunkt markierte erst François Mitterrands Entscheidung vom April 1992, die französischen Atomtests im Pazifik zu suspendieren. Damals begann ein Höhenflug, der selbst die skeptischsten Neuseeländer erfaßte. Sie waren bereit zu glauben, daß ihr jahrelanges Engagement und das Bedauern über das blutige Attentat doch noch zu einer französischen Einsicht geführt hatten, und brachten Blumen in die französische Botschaft.

Die beachtlichen späteren Karrieren der Bombenleger aus dem Hafen von Auckland gerieten in Neuseeland in Vergessenheit: die Verdienstorden der französischen Republik für Prieur und Mafart, ihre Beförderungen im Militärdienst, die Tätigkeit des „Chefs“ ihrer „Mission“ zum persönlichen Berater des Verteidigungsministers und das schützende Schweigen über die weitere Entwicklung der anderen Dunkelmänner.

Der Absturz war jäh. Er kam vor etwa einem Monat in Form von Chiracs „unwiderruflicher“ Entscheidung, weitere acht Atomtests im Südpazifik durchzuführen. Für die Neuseeländer war das Verrat – und der Neuanfang der zu Ende geglaubten bitteren Geschichte mit dem befreundeten Land.

Plötzlich paßt auch das in Neuseeland nicht erschienene, aber oft rezensierte Buch der „Saboteurin“, „Mörderin“ oder „Terroristin“ Prieur wieder ins Bild. Zum zehnten Jahrestag, bei dem viel von Greenpeace geredet werde, habe sie ihren „Teil der Wahrheit“ beitragen wollen, erklärt die Frau aus dem Schatten ihren Schritt an die Öffentlichkeit (siehe unten).

Die neuseeländische Greenpeace-Aktivistin Bunny McDiarmid gehörte 1985 zur Besatzung der Rainbow Warrior. An jenem Abend des 10. Juli, als kurz nach elf Uhr die Haftminen explodierten, war sie nur rein zufällig nicht an Bord des Schiffes, in dem Fernando Pereira starb. An dessen zwei Kinder denkt McDiarmid heute oft. Ihr Kommentar zu dem Buch zum zehnten Jahrestag: „Sie hätte wenigstens sorry sagen können.“ Dorothea Hahn, Auckland