Serben greifen UNO-Schutzzone Srebrenica an

■ Stützpunkte der Blauhelme überrannt / UNO weiß nicht, ob niederländische Soldaten dabei zu Geiseln der Serben wurden / 4.000 Menschen auf der Flucht

Split (taz) – Der Kampf um die ostbosnische Enklave Srebrenica verschärft sich. Wie der bosnische Botschafter in Genf, Mustafa Bijedic, erklärte, ist es den bosnischen Serben gelungen, in der Nacht zum Sonntag mit Panzern in die UN- Schutzzone einzudringen. Die bosnischen Behörden hätten die UNO aufgefordert, „alles zu tun“, um die Serben zum Rückzug zu zwingen. Nach UNO-Angaben standen mehrere Panzer der bosnischen Serben unmittelbar vor der Schutzzone.

Zugleich warnte der Botschafter vor Greueltaten an der Zivilbevölkerung von Srebrenica, wo rund 40.000 Menschen leben. Vor den serbischen Angriffen sind inzwischen 4.000 Menschen aus den umliegenden Dörfern in die Stadt geflohen. Sprecher der Srebrenica- Kommission in Tuzla riefen in Erinnerung, daß die Stadt seit April 1993 zur UNO-Schutzzone und unter Aufsicht der UNO zur „demilitarisierten Zone“ erklärt – sprich entwaffnet – wurde. Die Möglichkeiten zur Verteidigung von seiten der Bosnier sei deshalb weitgehend eingeschränkt.

Die UNO-Verantwortlichen scheinen bisher nicht bereit, Srebrenica zu schützen. Die Forderung nach Nato-Luftunterstützung wurde im Zagreber Hauptquartier abgeblockt, am Samstag gab es so lediglich grünes Licht für einige Erkundungsflüge. Immerhin flauten daraufhin die Gefechte etwas ab. Als jedoch weiter nichts passierte, setzten die Serben ihre Angriffe auf die Enklave verstärkt fort. Widerstandslos räumten niederländische UNO-Soldaten, die an Kontrollpunkten ihren Dienst tun, ihre Positionen.

Unklarheit herrschte gestern über das Schicksal von rund 20 niederländischen Blauhelmen. Nachdem die UNO zunächst mitgeteilt hatte, diese seien von Serben entführt worden, hieß es später, die Blauhelme hätten sich auf serbischem Gebiet in Sicherheit gebracht und dort übernachtet. Möglich ist jedoch auch, daß die UNO ihre erneute Niederlage nicht eingestehen will und daher versucht, die Gefangennahme nicht zu dramatisieren. Am Samstag war nach einem serbischen Panzerangriff auf einen UN-Posten ein niederländischer UN-Soldat ins Gegenfeuer der bosnischen Armee geraten und dabei tödlich getroffen worden.

In Sarajewo wurden bei serbischen Angriffen am Samstag sieben Menschen getötet und 18 weitere verletzt. In der Nacht zum Sonntag passierten zwei Hilfskonvois ohne Zwischenfälle die Straße über die Igman-Berge. Nach Angaben der UNO haben sich die bosnischen Serben bereit erklärt, die Zufahrtswege nach Sarajewo ab dem heutigen Montag wieder zu öffnen. Erich Rathfelder