Korrekt geschwitzt

■ Irgendwie politisch einwandfrei, aber immer weiter von den Fans entfernt: „Fugazi“ lärmten im Brutkasten der Kesselhalle

Gibt es ehrliche Werbung? Nach Sonntag abend ist man geneigt zu sagen „Ja“, denn was „Fugazi“ in der Kesselhalle des Schlachthofs boten, war genau das, was ihre Konzertplakate angekündigt hatten. Lediglich der Bandname prangte, rot auf schwarz, auf den Postern. Kein Bild, kein Motto, keine falschen Versprechungen, aber auch keinerlei sonstige Aussage. „Fugazi“ haben sich ihren Ruf als ehrliche Häute der Hardcore-Szene gemacht: keine Drogen, keine teuren Tickets, keine Riesenhallen, keine sonstigen Rockstarmätzchen. Auch im siebten Jahr seines Bestehens hat dieses kleine, recht erfolgreiche Unternehmen nichts von seinem Charme eingebüßt: Beim Auftritt im „Schlachthof“ badete die Band im Applaus der Fans, und in einigen Eimern Schweiß.

Draußen Saharahitze, drinnen eine proppenvolle Kesselhalle: Der Schweiß tropfte, ob man nun tanzte oder nicht, ob man auf der Bühne stand oder davor. Das Quartett tat sein bestes, um die Temperaturen nochmals hinaufzutreiben. Zu Fugazis Spezialität gehört es, den Kontrast zwischen laut und leise in Spannung umzusetzen. Da trippelt und klappert es minutenlang, daß man ausrasten möchte, und schließlich darf man das auch, wenn sich die Spannung in einer Rickenbacker-Gitarrenexplosion entlädt.

Zudem sind die vier souveräne Unterhalter. Sie verstehen sich blind, variieren beliebig das eigene Material und geben viel von der eigenen Persönlichkeit auf der Bühne preis. Hier aber verpuffte die Wirkung des Quartetts. Es mag an der Architektur liegen, die in der Kesselhalle die 2/3-Gesellschaft vorprogrammiert. Nur wenige Hartgesottene können vor der Bühne tanzen, der Rest wippt auf den Rängen. Möglicherweise kann man aber auch die Intimität, das sprichwörtlich Ehrliche, was die Band ausmacht, nicht mit tausend anderen teilen. Optisch machen die vier blassen Würstchen „Fugazi“ nicht viel her: Ian MacKaye wirkt aus zwei Metern charismatisch, aus zwanzig klein. Ohne Tuchfühlung bleibt also nur die Musik aus den Boxen.

Eine Großveranstaltung wie diese fair über die Bühne zu bringen, ist zentrales Element der so oft beschworenen „Korrektheit“ der vier Amerikaner. Allerdings fragte man sich, wo denn jenseits des Musizierens, das auch die übelste Abzockerband ja irgendwie zuwege bringt, „Fugazis“ Beitrag dazu blieb. Sich darauf zu beschränken, keine T-Shirts oder andere Devotionalien zu verkaufen, ist zu wenig. Denn der weitere Konzertrahmen wird dem Ermessen des Veranstalters überlassen, und der hieß diesmal in Bremen zum Glück von „Change“. Statt knurriger Lohn-Rausschmeißer warteten also alte Punkrock-Veteranen verständnisvoll an der Tür auf die Andrängenden. Aber wenn nicht zwei Mark für die von den Durchsuchungen der Staatsschützer am 13.6. Malträtierten auf den Eintritt draufgeschlagen worden wären, wären die Unterschiede zu einem „No FX“-Konzert im Aladin minimal gewesen. „Fugazi“ machten, was sie versprochen hatten – gute Musik. Aber war da früher nicht mal mehr? Lars Reppesgaard