Peugeot verschrotten, Bordeaux ins Klo?

■ Frankreich plant Atomwaffentests, was tun? Fax an Chirac oder Gauloises-Verzicht

Frankreich ist ein Land und nicht ein Konzern wie Shell. Wer Frankreich boykottieren will, muß schon eine breite Produktpalette verweigern. Das weiß auch Charles Herbert, Geschäftsführer der hamburger Kneipe „Tschaika“. „Natürlich trifft es erstmal die Falschen, aber man muß doch wenigstens ein Zeichen setzen.“ Ein Zeichen des Protests gegen die von Frankreich geplanten Atombombentests im Pazifik. Mittlerweile beteiligen sich rund 100 Hamburger Kneipen an dem Boykott: Weder Cognac noch französischer Käse kommen auf den Tisch, und aus den Automaten sind die Gauloises verschwunden. Erfolg: Die große französische Zeitung "libération“ berichtete, ebenso das Fernsehen.

Vor knapp vier Wochen begann der Boykott in Hamburg, nun hat sich selbst der gemächliche Dehoga aufgerafft, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in Bremen: Im nächsten Verbandsblättchen (Anfang August) will er seinen rund 1.000 Mitgliedern in Bremen einen Boykott empfehlen.

Die Bremerin Maike Haarmeier, Organisationsleiterin des Café „Kukuk“, hörte gestern zum ersten Mal von dem Boykott, könnte sich sowas aber auch für ihren Betrieb vorstellen. Angelika Teichmann vom französischen Bistro „Medoc“ will ohnehin heute mit den anderen zwei Besitzerinnen über einen Boykott beraten: „Das fände ich schon sinnvoll, wir haben ja auch viele Gäste aus der Szene.“ Wo allerdings soll man dann die Ersatz-Weine unterbringen? Das ganze Lager liegt voll mit französischen Weinen...

Und was ist mit den Privatkäu-ferInnen von Wein? Heiner Lobenberg von „Gute Weine“ im Viertel hatte noch keinen einzigen Kunden, der aus politischen Gründen lieber auf einen italienischen Wein zurückgegriffen hätte. Selbst aktiv werden könne er nicht, schließlich mache er 70 Prozent seines Umsatzes mit französischen Weinen. „Und ich kann ja nicht, wenn jemand französischen Wein bei mir bestellt, den anrufen und ihm abraten!“

Warenboykott – das ist im Falle Frankreichs bislang eine Idee von Unorganisierten. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace dagegen rät prinzipiell nicht zu Produktboykotten, heißt es von der Zentrale in Hamburg. Das treffe doch zunächst mal die Falschen, sagt auch Ralf Haese von Greenpeace Bremen. Greenpeace fordert die BürgerInnen stattdessen dazu auf, massenweise Faxe und Briefe an Bundeskanzler Kohl zu schicken. Der trifft sich heute mit dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac. „Wir wollen zunächst mal an unsere eigenen Leute herantreten, also zum Beispiel an Kohl: Schließt Euch dem Protest von Australien und Neuseeland an.“ Ab jetzt also massenweise Briefe und Faxe – bis September zu den ersten Tests sind's nur noch wenige Wochen. (Monsieur Jacques Chirac, Président de l'Elysee 55, rue du Faubourg-Saint-Honoré, 75008 Paris, Frankreich; Fax: 00331-47422465 / Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, Adenauerallee 141, 53113 Bonn; Fax: 0228-563203)

Zu eher klassichen Protestmitteln rät auch der Bundesvorstand von Bündnis 90/ Die Grünen: „Uns geht es nicht um Aktionen gegen Frankreich, sondern um gemeinsame Aktionen der Ökologie- und Friedensbewegung in Deutschland und Frankreich gegen die Wiederaufnahme der Atomwaffentests. Deshalb bitten wir Euch, Mahnwachen zum 14. Juli zu organisieren.“ Der 14. Juli ist französischer Nationalfeiertag zur Erinnerung an den Volks-Sturm auf die Bastille.

Heute will der Bremer Landesvorstand der Grünen konkrete Aktionen beraten. „Aber Mahnwachen vor dem Konsulat in der Töferbohmstraße können wir nicht organisieren“, sagt Grünen-Sprecher Hucky Heck, „es ist Urlaubszeit, und die, die noch da sind, die müssen arbeiten. Das müßte ja auch über mehrere Tage gehen.“ Heck könnte sich allerdings eine symbolische Aktion zum Thema „Sturm auf die Bastille“ vorstellen. „Wir könnten die Franzosen an ihre Geschichte erinnern, an den Unmut der Bevölkerung gegen die Herrschenden – heute besteht ja die Bevölkerung nicht mehr nur aus der von Paris, sondern aus der der ganzen Welt.“

Auch für Hucky Heck käme ein Waren-Boykott nicht in Frage: „Soll ich vielleicht meinen Peugeot verschrotten? Oder keine Gauloises mehr rauchen? Ich rauche jetzt seit 25 Jahren Gauloises, das würde mir verdammt schwer fallen.“ Nee, man müsse schon „politisch was gegen setzen“. cis