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Amerikas vergessene Kinder

■ WDR-Reporter Arnd Henze begleitet den politischen Kreuzzug gegen die US-Teenage-Mütter (21.15 Uhr, West3)

Leisha ist ehrgeizig. Sie will als erste in ihrer Familie den Highschool-Abschluß machen. Viel Zeit zum Lernen bleibt ihr nicht, denn Leisha hat ein 15 Monate altes Baby zu versorgen und arbeitet zusätzlich 40 Stunden in einem Fast-food-Restaurant. Die 16jährige La Toya hat sich ihren Schulabschluß bereits abgeschminkt, sie bekommt gerade ihr zweites Kind. Von den Vätern ihrer Kinder haben die beiden schwarzen Mädchen nichts zu erwarten und vom Staat – wenn es nach dem Willen des Kongresses geht – bald auch nicht mehr. Minderjährige Mütter, behaupten konservative US-Politiker, seien Schnorrerinnen, die sich nur schwängern ließen, um auf Staatskosten ein lockeres Leben zu führen.

Arnd Henze, der in seiner Reportage „Amerikas vergessene Kinder“ die vermeintliche Leichtigkeit des Mutterseins im Ghetto dokumentiert, zeigt am Beispiel von Leisha und La Toya, in welchem Teufelskreis sich die minderjährigen Mütter befinden. Viele stammen aus zerrütteten Familien und tapsen ahnungslos in die gleiche Falle, die schon der eigenen minderjährigen Mutter zum Verhängnis wurde. Weil sie für sich kaum eine Zukunft sehen, glauben sie dem nächstbesten, der was von Liebe erzählt – und davon, daß sich die wahre Liebe nicht mit einem Kondom verträgt. Statt hier für Aufklärung zu sorgen, predigen Politiker und fromme Fundamentalisten lieber Enthaltsamkeit. Zu Recht empört sich Henze über so viel Ignoranz. Aber durch sein Engagement läuft die Reportage ständig Gefahr, die angeprangerten Klischees mit umgedrehten Vorzeichen zu wiederholen: Hier die sympathischen, armen Schwarzen mit dem Herz auf dem rechten Fleck und dort die bigotten, reichen Weißen. Die Väter der Kinder kommen nur am Rande vor. Ihnen will Henze offenbar keinen Vorwurf machen, wenn sie sich nach fruchtbar beendetem Liebesakt in die Gang zurückziehen. Als schließlich doch ein minderjähriger Vater auftaucht, der sich, wie Henze anerkennend bemerkt, gelegentlich um die Tochter kümmert, darf er sogar den Ritter mimen: „Ein Mädchen braucht jemanden, der es beschützt.“

Ganz verliebt ist die Kamera auch in Leishas Mutter Brenda, die nicht nur fünf Enkel am Hals hat, sondern mit ungebrochener Power für ein besseres Leben ihrer Tochter kämpft: „I'm not giving up!“ ruft sie immer wieder unter Schluchzern. Das sehen wir gern: sie haben keine Chance, aber sie nutzen sie. Anne Winter

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