„Eine Augenwischerei“

■ Rita Kellner-Stoll, Leiterin der Abteilung Umweltschutz unter Senatorin Wischer, über das Trauerspiel um die Ozonverordnung

Die Bremer Umweltschutzbehörde war am Entwurf einer Ozonregelung beteiligt, der viel weiter reicht als der Kompromiß, über den am Freitag im Bundesrat (bei Enthaltung Bremens) abgestimmt wird. Die taz hatte einige Fragen an Dr. Rita Kellner-Stoll, die Leiterin der federführenden Abteilung Umweltschutz.

Was haben wir denn gerade für Ozonwerte?

Rita Kellner-Stoll: Also in den nächsten Tagen ist sicher nicht mit Ozonwarnungen zu rechnen. Schauen Sie aus dem Fenster: Wir haben viel Wind. Die jetzige Verordnung hat als Voraussetzung für alle Maßnahmen eine „austauscharme Wetterlage“.

Wenn es tüchtig bläst, können die Werte steigen, wie sie wollen?

So ist es.

Die Werte sind jetzt schon hoch. Haben Sie praktische Ratschläge für so einen Alltag?

Ja. Nicht Auto fahren. Das ist alles. Sehen Sie, die Leute fahren mit dem Auto zum Sportplatz, und dann möchten sie wissen, ob sie sich jetzt anstrengen dürfen wegen Ozon.

Es gibt ein paar Leute, die fahren sowieso nicht und gehören doch zu den Leidtragenden.

Aber nicht viele. Ich weiß, die politische Lage hat es mit sich gebracht, daß wir im Moment hilflos sind. Dennoch finde ich es absurd, die Kinder ins Haus zu sperren und die Autos fahren zu lassen. Selbst wenn man anfällige Kinder hat, Kinder mit Pseudokrupp etwa, wo sich das wirklich erst einmal empfiehlt, muß ich sagen: Irgendwann hat man die hohen Werte auch in geschlossenen Räumen. Das ist auf Dauer keine Lösung.

Und die Ozonverordnung, die der Vermittlungsausschuß jetzt dem Bundesrat vorlegt?

Nützt nicht das mindeste. Wer da behauptet, dieser Kompromiß sei immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, betreibt Augenwäscherei. Dieser Entwurf sieht ja keinerlei Geschwindigkeitsbegrenzungen vor, nur vereinzelte Fahrverbote ab 240 Mikrogramm. Und ich prophezeie Ihnen: Es wird in diesem Jahr nicht einmal zu Fahrverboten kommen, denn bis das alles verwaltungstechnisch umgesetzt ist, all diese Plaketten für die Ausnahmefälle, dann die Klärung, wer über die Ausnahmen bestimmt, ist der Sommer vorbei. Nein, dieser Kompromiß ist selbst verglichen mit dem wenigen, was wir bis jetzt erreicht haben, ein Rückschritt. Er wird, wenn er durch den Bundesrat kommt, die einzelnen Länderregelungen, die teilweise schon viel weiter waren, annullieren.

Seine Verteidiger wenden ein, mehr könne man zur Zeit eben nicht durchsetzen.

Das ist nicht wahr. Es ist ebenso falsch, wenn die Senatorin sagt, es sei besser so, damit überhaupt noch etwas passiert. Der Entwurf, den wir für die SPD-regierten Länder ausgearbeitet haben, hätte Geschwindigkeitsbeschränkungen ab 180 Mikrogramm und ein generelles Fahrverbot ab 215 Mikrogramm vorgesehen. Ein vernünftiger Ansatz, und einige Bundesländer standen ihm bereits sehr aufgeschlossen gegenüber. Das ist nun vertan.

Nun hat die hochangesehene sogenannte „MAK-Kommission“, zuständig für „maximale Arbeitsplatzkonzentration bedenklicher Stoffe“ eine Obergrenze von 100 Mikrogramm empfohlen. Gibt das nicht neuen Zündstoff?

Ich weiß nicht. Es wäre natürlich grotesk, wenn man spielenden Kindern verglichen mit erwachsenen Arbeitnehmern die doppelte Belastung zumuten wollte. Aber die Bundesregierung kannte diese Zahl und kam dennoch mit dem Vorschlag von 270 Mikrogramm daher. Das alles beeindruckt die Zuständigen offensichtlich nicht. Und wir, wir können da nur noch mit den Zähnen knirschen. Aber es gibt kein Gesetz, das nicht verändert werden kann. Fragen: schak